Konzerttips der Woche: Das große Verschwinden
Klangproduktionen neu verortet: „Verschwinden der Musik“-Festival, das Projekt „Conference Of Trees“ und das Soundwatch Berlin Music Film Festival.
Das Verschwinden der Musik“ heißt das auf den Punkt betitelte Festival im HKW, das am Freitag (13.11.) beginnt. Zu dem Thema gab es ja schon vor Corona einiges zu sagen; nicht zuletzt, weil dieser Tage niemand, der Musik machen will, mehr ein Instrument beherrschen muss – solange er oder sie die passende App hat. Jetzt, wo Livemusik nur noch stark ausgebremst stattfindet, hat das Thema natürlich einen ganz neuen Beiklang.
Am ersten Abend geht es allerdings um etwas scheinbar Gegensätzliches: nämlich wie Nischenkunst plötzlich unerwartete Aufmerksamkeit bekam, ja sogar in den Fokus der Weltpolitik rückte. Oder anders gefragt: warum sah die CIA Potenzial bei experimenteller Musik, den Kalten Krieg zu beeinflussen? Zu Gast bei der Avantgarde-Musikerin Holly Herndon and dem Digitalkünstler Mat Dryhurst ist die Historikern Frances Stonor Saunders, die sich ausführlich mit dieses Fragen beschäftigt hat (Fr ab 18 Uhr im Live-Podcast auf hkw.de).
Am Samstag geht es dann tatsächlich um Klangproduktion in der Pandemie. Andi Toma und Jan St. Werner – zusammen sind sie Mouse on Mars – laden zur telematischen Jamsession, unter anderem mit der Multimediakünstlerin Olivia Block aus Chicago und dem Bostoner Trompeter Forbes Graham, bei der Videokommunikation und Improv-Musik zusammen finden sollen (14.11., 21 Uhr, hkw.de). Auf der Seite findet sich auch die kurzweilige, als Warmup entstandene Videoserie, in der Musiker*innen von Perera Elsewhere bis Barbara Morgenstern Einblicke in ihre Arbeitsweise geben. Last but not least, sind weitere der geplanten Konzerte digital in Vorbereitung und erscheinen sukzessiv auf hkw.de.
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Und auch wenn der Stream vom Auftritt des Avantgarde-Elektronikers Hendrik Weber aka Pantha Du Prince in der Volksbühne bereits am Donnerstag online ging – bis Samstag Abend kann man sich die erlebenswerte Livepräsentation seines im März veröffentlichtes Albums „Conference of Trees“ nach Hause holen. Immersiv genug, dass das auch unter Kopfhörern zum Vergnügen wird, ist Webers Interpretation der zellbiologischen Kommunikation zwischen Bäumen allemal (Zugang unter dringeblieben.de, bis 14.11., 20 Uhr, 26 Euro).
Obskure Klangwelten im Film
Eigentlich wollte das Soundwatch Berlin Music Film Festival auch in diesem Jahr wieder auf die Leinwand bringen, was es da sonst selten hinschafft: Filme über oft obskure Klangwelten. Statt dessen gibt es eine Auswahl fürs heimische Wohnzimmer. Lohnenswert ist sicher die „Southern Journey (revisited“), die sich auf die Spuren des Musikethnologen Alan Lomax begibt. Der hatte zusammen mit der britischen Folksängerin Shirley Collins vor 60 Jahren die Südstaaten bereist und Field Recordings aufgenommen; heute ist dort (fast überall) Trump-Country (verfügbar bis 14.11.).
Zur fast gleichen Zeit an ein ganz anderes Milieu in den USA dockten der elektronische Musikkomponist İlhan Mimaroğlu und seine Frau Güngör an, nachdem sie von Istanbul nach New York ausgewandert waren: davon erzählt „Mimaroglu: The Robinson of Manhattan Island“ (verfügbar bis 15.11; weitere Infos auf facebook, Stream 6 €, Festival läuft bis 16.11.).
Mary Ocher ist als Musikerin toll genug. Jetzt wird sie auch noch Strippen ziehen im Konzertleben der Stadt, was ja zum Neustart frische Energie brauchen wird. Das von ihr ins Leben gerufenen Underground Institute (UI) will nicht nur Bookingagentur sein, sondern auch Kulturplattform. Im Roster steht neben einer Legende wie Martin Rev von Suicide unter anderem die israelische Sängerin Ofrin, die in Berlin von einer Jazzsängerin zur Elektronikbastlerin wurde. Gefeiert wird Start des UI am Donnerstag (19.11.) mit einem Panel und einem Konzert mit Ya Tosiba, Gloria de Oliveira und Audrey Chen aus der Kulturbrauerei (19 Uhr auf Youtube im Stream).
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