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Konzerte fein gestückelt auf YoutubeShowmonster Flaming Lips

Konzerte verändern sich in Zeiten von Youtube. Aber kann man etwas gleichzeitig erleben und aufnehmen? Die Flaming Lips und ihr Publikum auf der Suche nach dem ewigen Augenblick.

Wenn das mal nicht ein Youtube-Renner wird: Wayne Coyne von den Flaming Lips watschelt in einer Blase über sein Publikum. Bild: rtr

Bei jeder Show wird Wayne Coyne, Frontmann der Flaming Lips, erneut geboren. Das geht so: Seine Entourage, diesmal um die zwölf fluoreszierende Bauarbeiter, öffnet hastig den Reißverschluss an der gigantischen Plastikblase, in der Coyne eben noch über das Publikum hüpfte. Sodann windet sich der Mann in seinem grauen Siebzigerjahre-Anzug aus der kleinen Öffnung; damit es schneller geht, wird von der anderen Seite gezerrt.

Dieses kleine Kreißszenario bleibt vom Publikum weitgehend unbemerkt. Ebenso wie die gesamte Maschinerie, die das Showmonster Flaming Lips aus dem Hintergrund am Laufen hält: die Luftballons, die zu Hunderten über der Menge schweben, werden hektisch per Handkette vom Equipment-Laster zur Bühne gereicht; die Konfettikanonen müssen bedient und die tanzenden Teletubbies - am selben Tag aus dem Pool der anwesenden Fans rekrutiert - ermahnt werden, den Laserfeldern nicht zu nahe zu kommen. Captain Coynes große Revue mag sich inzwischen zu einer Show abgeschliffen haben, in der nicht mehr "jederzeit etwas völlig Unerwartetes" geschehen kann, wie Coynes Ehefrau Michelle im legendären Dokumentarfilm von Haus-und-Hof-Regisseur Bradley Beesley sagt. Die Zeiten, in denen ein Flaming-Lips-Konzert mitunter darin bestand, dass aus den Kassettendecks schrottreifer Kleinwagen verschiedene Tonspuren abgespielt werden, sind vorbei - zumindest bis zur nächsten Radikalerneuerung.

Auf viele mag die Drogenkirmes-Ästhetik und das melancholische Weltraumnarrativ, das Texte und Show prägt, auch rührend anachronistisch wirken. Und doch: Es funktioniert. Zuletzt wieder am Festivalwochenende in Haldern, wo kurz zuvor die Foals demonstriert hatten, wie die Antithese zur Konfettikanone aussieht: mit jener anderen Art von Show, die Chaos und Schweiß und Schürfwunden beinhaltet. Auch für die jungen Briten war es allerdings das Größte, dass Coyne ausgiebig ihre Musik lobte, bevor er sie zum kollektiven Tanzen auf die Bühne lud.

Symptomatisch für das Konzertereignis in den Zeiten des Internets ist, dass die Halderner Show am Morgen danach bereits in unzählige, multiperspektivische Minutenvideos gestückelt durch die Datenwelt zirkulierte. Dieser Dokumentationszwang ist nichts Neues, wird aber zur Festivalsaison noch einmal besonders deutlich. Viele entschuldigen sich gar für den Verwacklungsgrad ihrer Videos: "Es war schwer, gleichzeitig zu tanzen und die Kamera gerade zu halten." So wird im Youtube-Comment aus Versehen ein Menschheitsproblem formuliert: Die Unmöglichkeit der Gleichzeitigkeit von Erleben und Festhalten.

Dass die Zahl grobgepixelter Handyvideos pro Konzert kontinuierlich steigt, mag aber auch mit dem Niedergang des Prinzips Album zu tun haben. Labels und Künstler setzen zunehmend auf Toureinnahmen, Konzerte werden teurer: zurück zur Show also. Das Video fungiert nicht nur als Momentkonservierung, sondern auch als Ersatztrophäe anstelle der Platte. Dabei sind es gerade die Flaming Lips, die den Maschinen den Kampf angesagt und immer den absoluten Augenblick gepredigt haben: "Its hard to make the good things last", singen sie im Konfettiregen, "All we have is now."

Trotzdem ließ sich die Band, die in ihrem Heimatland USA nach wie vor nicht ganz so euphorisch gefeiert wird wie Rees-Haldern und Resteuropa, rund um die Uhr von einer Kamera verfolgen. Beesleys Film "Fearless Freaks" zerlegt bewusst die Oberfläche des Space-Märchens, das die Flaming Lips um sich herum gebaut haben - und kommt der Band schmerzlich nahe. So hält die Kamera drauf, als Multiinstrumentalist Steven Drozd sich einen Schuss setzt. Das SciFi-Trash-Projekt "Christmas on Mars", welches nach jahrelangem Dreh im Oktober erscheinen wird, schließt die Inszenierung dann wieder: Wayne Coyne spielt das Alien, Steve Burns den Astronauten, es gibt schlechte Kulissen, grauenhafte Dialoge und eine gute, wilde, irgendwie vertraute All-Sinfonie.

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