piwik no script img

Konzerninteresse ist öffentliches Interesse

■ Stimman und Nagel weisen Kritik an Bauplanung am Potsdamer Platz zurück

Zwei Tage nachdem die Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs zum Postdamer Platz, die Architekten Heinz Hilmer und Christoph Sattler, in einem offenen Brief an Bausenator Nagel die Konkretisierung ihrer Pläne heftig kritisiert hatten, wies gestern Senatsbaudirektor Hans Stimman die Vorwürfe zurück. Doch was als Antwort auf die Architektenschelte gedacht war, las sich über weite Passagen wie deren Bestätigung. Nur in einem Punkt ging Stimman in seiner Presseerklärung konkret auf die Bedenken von Hilmer und Sattler ein. Diese hatten moniert, daß die internen Straßen des Daimler-Benz-Komplexes, die im ursprünglichen Wettbewerbsplan eine Breite von 17,5 Meter hatten, „an mehreren Stellen zu unerträglich engen Schluchten reduziert“ worden seien. Stimman bestätigte, daß deren Breite nunmehr nur noch 13 Meter betrage, dafür hätte sich jedoch auch die Gebäudehöhe von ursprünglich 35 auf 28 Meter verringert – der Proporz sei mithin gewahrt.

Hilmer und Sattler hatten sowohl die von Daimler geplante „riesige Shoppingmall“, die dem Konzept von „Läden in den Erdgeschossen, die den öffentlichen Straßen zugewandt sind“, zuwiderlaufe, als auch das „Parken in einer riesigen unterirdischen Anlage mit wenigen Zufahrten in den öffentlichen Straßen“ kritisiert. Zudem beklagten sie die Ballung des Wohnungsbaus „in wenigen Großeinheiten als Sonderwohnformen“. Dem hielt Stimman nun lediglich entgegen, daß bei sämtlichen Schritten der Planung „die gegenüber früheren Jahrzehnten veränderten wirtschaftlichen Ansprüche und Einkaufsgewohnheiten genauso zu berücksichtigen (seien) wie die Gewohnheiten vieler Menschen, mit dem Auto zur Arbeit bzw. zum Einkaufen zu fahren“. „Ob die gewählte Form des Einkaufens und des Wohnungsbaus an dieser Stelle richtig ist“, so räumte der Senatsbaudirektor ein, „mag man bezweifeln.“ Die Entscheidung darüber treffe jedoch im wesentlichen nicht das Land Berlin, sondern der private Bauherr.

Hilmer und Sattler hatten ihrem prämierten Entwurf „die Vorstellung von der kompakten, räumlich komplexen, europäischen Stadt“ zugrundegelegt, nach Stimmans Interpretation habe es „angesichts der konzentrierten Eigentumsverhältnisse sowie der komplexen Verkehrsverhältnisse nie darum gehen (können), ein bestimmtes Stadtmodell zu übertragen. Es ginge vielmehr darum, das Modell „europäische Stadt“ unter Berücksichtigung der komplexen Ansprüche auf den Ort am Potsdamer Platz weiterzuentwickeln. Sattler hatte gegenüber der taz diese Weiterentwicklung lapidar kommentiert: „Die Konzerninteressen setzen sich durch.“ Daraufhin befand Bausenator Wolgang Nagel (SPD), daß es nicht vorhaltbar sei, „wenn Konzerninteressen und öffentliche Interessen übereinstimmen“. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen