Konzepte für digitale Werke: Das Zögern der Buch-Branche
Während andere bereits fleißig elektronische Lesegeräte produzieren, wartet die Buchbranche noch immer auf eine Eingebung für das Erfolgskonzept der Zukunft.
FRANKFURT AM MAIN taz | Nein, die Musikindustrie ist kein gutes Beispiel. Gerne wiederholt Blogger Markus Beckedahl das auch noch mal – für alle, die sich ruhig auch noch ein paar Jahre zu spät auf dem Buchmessen-Penal über die Zukunftsmöglichkeiten für das Medium Buch informieren möchten. Die erschienenen Besucher sind interessiert, engagiert und neugierig – und hinken dennoch der Entwicklung des vergangenen Jahres hinterher.
Allerdings könne man am Negativ-Beispiel sehen, wie eine Industrie grandios scheitert, wenn sie versucht, den Nutzer zu entmündigen. Buch-Verleger kopieren dennoch die Fehler der Musikindustrie, aus Mangel an Alternativen. Wie digitalisierte Publikationen in Zukunft vertrieben und gelesen werden können und wie man dabei noch Rechte und Preise schützen kann, war die Fragestellung von Publikumsseite. Dass es ohne Rechtefreiheit und geringe Kosten für die Nutzer nichts wird, war die Antwort der befragten Web-2.0-Ikonen Beckedahl von netzpolitik.org und Matthias Schindler von der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Denn auch die Rechteinhaber der Buchbranche möchten nun in puncto Kopierschutz taktisch klug verfahren. Offene Nutzungsrechte an Büchern und gegen wenig Geld – so sieht die Zukunft in ihren Augen nicht aus. Dann wäre es zumindest schön, wie Beckedahl und Schindler anschaulich darlegen, wenn die Käufer elektronischer Druckerzeugnisse die Werke dann auch tatsächlich kaufen könnten, anstatt nur – schlimmstenfalls zeitlich begrenzte – Nutzungsrechte. Denn man stelle sich vor: Jemand kauft ein Buch, darf es dann aber nicht verleihen und nachts steigt der Buchhändler ein, legt das Geld auf den Tisch und nimmt das Buch wieder mit. Das käme beim Kunden womöglich nicht allzu gut an.
Dabei brächte das Aufheben des DRM-Kopierschutzes (Digital Rights Managements) durchaus höhere Verkaufszahlen, schließlich ergibt es für den Nutzer mehr Sinn, für fast den selben Preis einen Titel zu kaufen, als diesen nur nutzen zu dürfen – und die bange Frage bleibt, ob der erworbene Titel in vier Jahren dann noch lesbar ist. Schließlich sei man mit einem Kindle-Lesegerät komplett Amazon ausgeliefert. Wikipedia hingegen sei laut Schindler deshalb so beliebt, weil die Nutzer auf Grund der Creative-Commons-Lizenz davon ausgehen können, dass das Projekt auch jemand anderes weiterführen kann – denn die Rechte daran sind frei.
Wer davor zurückschreckt, sich an Amazon zu binden, hat auf dem deutschen Markt ab Dezember diesem Jahres nun auch noch den txtr-Reader zur Auswahl, der im Gegensatz zu den Konkurrenzprodukten von Amazon und Sony onlinefähig ist, also digitale Dokumente von überall aus zugreifbar macht. Das Gerät kostet stolze 319 Euro, ist schlicht designt, wiegt 300 Gramm und hat ein sechs Zoll großes Display, das auch bei Sonneneinstrahlung gut lesbar sein soll. Neben den Werken, die über den txtr-Store erworben werden sollen und die unter anderem von Verlagen der Holzbrinckgruppe kommen werden, können auch eigene Dateien geladen und ausgetauscht werden. Die mobile Synchronisation von Texten, Büchern und Publikationen zwischen Plattform und Lesegerät kostet allerdings monatlich je nach Laufzeit bis zu 14,99 Euro im Monat, allein der Download gekaufter Bücher bleibt kostenfrei – und das Synchronisieren per W-Lan oder Kabel auch. Die Navigation soll intuitiv über den seitlich angebrachten Page pad erfolgen, beim Testen gab es allerdings noch einige Softwareprobleme, die das Navigieren durch die Textsammlungen erschwerten.
Was der txtr allerdings nicht kann, ist Anmerkungen speichern. Wer sich einmal den ab 28. Oktober auf den deutschen Markt kommenden Sony Reader Touch edition für 299 Euro ansieht und viel mit Texten arbeitet, wird ins Grübeln kommen, wie wichtig ihm die mobile Synchronisation ist, wenn er so angenehm leicht in den Texten arbeiten kann. Auch Sony plant ein Gerät mit wireless-Funktion, ein Erscheinungsdatum steht aber noch nicht fest. Bisher muss sich der Profi-Leser also noch entscheiden was ihm wichtiger ist - oder warten.
Was die auf die Reader ladbaren Titel kosten, das schreibt bisher noch der Buchhandel und die Buchpreisbindung vor - im Schnitt soviel wie die Taschenbuchausgabe eines Buchs. Insgesamt also ein nicht unkomfortables, aber eben auch nicht ganz billiges Angebot für Vielleser, die sich bis heute nicht ganz sicher sein können, ob der Buchhandel ihnen dann auch wirklich die Bücher, die sie bezahlt haben, auch überlässt. Der Sony-Konzern, der mit dem Großhändler Libri zusammenarbeitet, versucht das Problem zu lösen, in dem jeder Titel fünf mal weitergegeben werden darf - was vergleichsweise fair klingt, denn sehr viel öfter werden Bücher wohl auch nicht verliehen. Die Buchleistungen müssen auch in Zukunft erbracht werden, ob durch ein gedrucktes Buch oder etwas vergleichbares, das ist vermutlich eher sekundär für den Leser. Aber Zahlen darüber, ob sich dieses Modell für den Handel lohnt, gibt niemand heraus.
Die Buchbranche wird nicht umhin kommen, ständig neue Modelle auszuprobieren und sollte in jedem Falle vergriffene Bücher, wie von Google Books geplant, dauerhaft verfügbar machen - aber alle anderen eben auch. Nur wie? Schindler und Beckedahl geben die Fragen an die Buchbranche zurück: Seien Sie einmal die ersten und nicht diejenigen, die hinterher rennen.
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