Kontra: Die Umbenennung wäre falsch
Straßennamen sind das historische Gedächtnis der Stadt. Das gilt auch für Treitschke, einem der unappetitlichsten deutschen Historiker. Soll man eine Straße, die seinen Namen trägt, deshalb umbenennen? Nein.
Die Clara-Zetkin-Straße heißt jetzt Dorotheenstraße. Das ist Mist. Keiner der Bundestagsfrischlinge erfährt mehr, wie sich die DDR bis auf die Straßennamen herunterbuchstabiert hat. Umso mehr wissen wir nun vom friderizianischen Berlin - als ob es davon nicht genug gäbe.
Straßennamen sind das kulturelle und historische Gedächtnis der Stadt. Das gilt nicht nur für Dorothea, die zweite Gemahlin des Großen Kurfürsten, und die Frauenrechtlerin Clara Zetkin. Es gilt auch für Heinrich von Treitschke, einem der unappetitlichsten deutschen Historiker. Soll man eine Straße, die seinen Namen trägt, deshalb umbenennen?
Nein. Auch in Steglitz muss man dem Geist der Zeit nachspüren dürfen. Sonst gerät in Vergessenheit, was die Stadtväter 1906 bewogen hatte, nicht nur den Historiker von Treitschke zu würdigen, sondern auch den Antisemiten, von dem der fatale Spruch stammt: "Die Juden sind unser Unglück."
Straßennamen sind deshalb auch ein Hinweis auf die Gegenwart. Mit den verschiedenen Schichten unserer Erinnerungskultur halten wir uns selbst einen Spiegel vor. Und geben der Nachwelt die Botschaft weiter, dass sich Geschichte nicht einfach entsorgen lässt. Auch das Olympiastadion reißen wir schließlich nicht ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Antrag gegen Migration im Bundestag
Über die Merzgrenze
Merkel zur CDU-Kooperation mit AfD
Merkel rügt Merz
Deutsche Migrationspolitik
Wegsperren, wegschicken
Nach dem Fall der Brandmauer
Wut und Verzweiflung vor dem Konrad-Adenauer-Haus
Antrag auf AfD-Verbot
Die Zivilgesellschaft macht Druck
Antrag auf ein Parteiverbot
Merz ist kein Opfer der AfD