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Kontra Cyber-MobbingHandyentzug in Japans Schulen geplant

Unter Japans Schülern grassieren Mobbing per Handy und Prostitution per Internet. Nun greift die Regierung ein.

Handysüchtig? Junge Japanerinnen hantieren 124 Minuten pro Tag mit dem Handy herum. Bild: dpa

TOKIO taz In der Mobilfunkhochburg Japan sollen Handys aus den Schulen verschwinden, um Cyber-Schikanen und Internetprostitution zu erschweren. Im Jahr 2007 wurden den Schulbehörden fast 6.000 Fälle von Cyber-Mobbing gemeldet. Bei knapp 40 Prozent von 38.000 Webseiten an Mittel- und Oberschulen fand das Bildungsministerium verbale Angriffe und sexuelle Inhalte. Auf jeder vierten Seite wurden - zumeist per Handy - Botschaften wie "Du sollst tot umfallen!" und "Ich werde dich töten!" verschickt. Deshalb forderte das Bildungsministerium nun alle Grund- und Mittelschulen auf, das Mitbringen von Mobiltelefonen zu verbieten. "Es gibt keinen Grund, warum die Kinder in der Schule ein Handy brauchen", erklärte Bildungsminister Ryu Shionoya.

Gleichzeitig haben die Mobilfunkbetreiber damit begonnen, verdächtige Kontakt-Webseiten für ihre Kunden unter 18 zu blockieren. Laut Ministerium verabreden sich die meisten minderjährigen Opfer von Übergriffen über das mobile Internet mit dem Täter.

Vor anderthalb Jahren hatte die Selbsttötung eines Schülers in Kobe für Schlagzeilen gesorgt. Vier Mitschüler hatten ein Nacktfoto von ihm, seine Mailadresse und seine Handynummer ins Internet gestellt und ihn damit erpresst. Auch andere Jugendliche hatten den Oberschüler per SMS gehänselt. Schließlich hatte sich der 18-Jährige vom Schuldach in den Tod gestürzt.

Schulmädchen verabreden sich im mobilen Internet auf Begegnungs-Seiten mit Männern, die sexuelle Kontakte mit Minderjährigen suchen. Auch Berichte über eine regelrechte Handysucht bei Schülern haben die Behörden alarmiert. Junge Mädchen hängen im Schnitt 124 Minuten am Tag am Handy, Jungen 92 Minuten. Jeder dritte Grundschüler besitzt ein Mobiltelefon, von den älteren Schülern sind es 96 Prozent.

Laut Bildungsministerium haben mehr als die Hälfte der Schulen den Gebrauch von Handys bereits eingeschränkt. Aber ein vollständiges Verbot stößt auf Skepsis.

Japans größter Mobilfunkbetreiber NTT Docomo sperrt seit Freitag alle Seiten von sozialen Netzwerken für Schüler. Um der Blockade zu entgehen, muss sich der Betreiber einer Webseite verpflichten, alle Nachrichten rund um die Uhr zu überwachen und in Notfällen die Polizei zu verständigen. Minderjährige können auch nicht mehr auf Porno-Inhalte zugreifen.

"Es ist sehr ärgerlich, dass ich meine Freunde nicht mehr im Internet treffen kann", beschwerte sich eine 17-jährige Schülerin in Tokio. Doch ihre Freundin findet meint: "Internetbekanntschaften sind gefährlich." Ausgerechnet der rechtskonservative Gouverneur von Tokio, Shintaro Ishihara, spricht sich gegen das Handyverbot an Schulen aus mit dem Argument, diese Entscheidung solle man den Eltern überlassen.

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