Kontinent feiert Obama: Wahlsieger Afrika
Obamas kenianische Oma wollte vorerst nichts nichts von Wahlsieg hören - schließlich feierten sie und ganz Afrika im Regen den ersten schwarzen US-Präsidenten.
Schlafen gehen wollte gestern niemand in Kogelo, dem Dorf, in dem Barack Obamas Vater begraben liegt. Die Familie saß gemeinsam mit Obamas 86-jähriger Oma Sarah und dem Rest der Dorfbewohner die ganze Nacht hindurch vor der Großleinwand, die ein kenianisches Medienhaus im Dorf im Westen des Landes aufgestellt hatte. Es regnete, aber alle harrten aus, zusammen gemummelt in dünnen Plastikjäckchen, die den tropischen Schauern kaum standhalten konnten.
Dann, kurz vor Sonnenaufgang, ging endlich das erhoffte Jubeln durch die Menge. "Wir ziehen ins Weiße Haus, wir ziehen ins Weiße Haus", sangen die Bewohner von Kogelo, nachdem im Fernsehen Obamas Sieg gemeldet wurde. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll, das ist alles so unglaublich", rief Biosa Obama, die 39-jährige Schwägerin Baracks. Oma Sarah tanzte erstaunlich behände um ihr Haus, während das ganze Dorf Freudengesänge und Gebete anstimmte.
"Ich könnte vor Glück tot umfallen", strahlt Obamas Großmutter, als sie sich nach einer spontanen Prozession den Fragen von hunderten wartenden Journalisten stellt. "Mein Enkel liebt die Menschen so sehr wie sein Vater, deshalb ist er gewählt worden", fährt sie fort. "Er arbeitet hart, und er ist ein guter Christ." Sarah Obama, die vor der Verkündung der Wahlergebnisse nichts von Wahlsieg hören wollte - "das ist ein schlechtes Omen, man soll sich nie zu früh freuen" -, veranstaltete mit Verwandten und Freunden am Mittwochabend eine zünftige Siegesparty. "Wir schlachten ein Rind, und dann wird gefeiert."
Gefeiert wurde am Mittwoch nicht nur in Kogelo, sondern im ganzen Land. Vor allem in Kisumu, der größten Stadt im Westen Kenias, ertönten schon am frühen Morgen Hupkonzerte auf den Straßen. "Obama ist ein Luo wie wir", freut sich einer der Autofahrer im Stau. "Wir Luo regieren jetzt die Welt."
Auch in Kibera, dem größten Slum der Hauptstadt Nairobi, machte kaum jemand ein Auge zu. Und vor dem Florida-Nightclub in Nairobis Innenstadt gingen die Mädchen leer aus. "Die Leute haben heute auch da drin nur Augen für CNN gehabt", lacht Anthony, der mit seinem Taxi vor dem Nachtclub wartet. Der Platz vor Nairobis Kongresszentrum, wo während der Nacht eine Großbildleinwand aufgebaut wurde, füllt sich hingegen erst am Morgen. "Wir Kenianer haben seit den Unruhen Anfang des Jahres Angst vor Politik, auch wenn sie weit weg stattfindet", glaubt Ezekiel Mirera, der nach einer Nacht vor Fernsehern in diversen Kneipen hier gelandet ist.
Gratuliert wird Obama am Mittwoch nicht nur aus Kenia, sondern von überall auf dem Kontinent. Südafrikas Befreiungsheld Nelson Mandela ist einer der Ersten: "Ihr Erfolg hat gezeigt, dass niemand den Traum aufgeben sollte, die Welt zu verbessern, egal wo auf der Welt." Er vertraue Obama, dass er die Bekämpfung von Armut und Krankheit zu seiner obersten Priorität machen werde, so Mandela. Einen Fokus auf Afrika erhoffen sich viele vom ersten schwarzen US-Präsidenten. 50 Berater waren in Obamas Stab für Afrika zuständig; das spricht für den Stellenwert des Kontinents. Obama hat zudem bereits im Wahlkampf angekündigt, er werde Afrika auch im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte mehr Aufmerksamkeit schenken. Manch autoritärer Verbündeter im "Kampf gegen den Terror" dürfte befürchten, dass die afrikanische Hilfe unter Obama abnimmt. "Da werden sich manche noch ein bisschen Ignoranz ihrem Land gegenüber zurückwünschen", glaubt eine Mitarbeiterin der UN-Kommission für Afrika.
Eine erste Bewährungsprobe steht schon fest: Die UN-Mission in Darfur wartet sehnsüchtig auf Hubschrauber, die die US-Regierung ihr schon vor einem Jahr versprochen hat. Die Hoffnung ist groß, dass Obama die Entsendung der kostbaren Ausrüstung beschleunigen wird.
Doch mit Politik will man sich in Kenia, Obamas "zweiter Heimat", wie hier viele sagen, am Mittwoch nicht beschäftigen. In allen großen Kneipen und Discos der Stadt steigen in der Nacht Siegesfeiern. Präsident Mwai Kibaki hat den Donnerstag vorsorglich zum Obama-Feiertag erklärt. "Wir Kenianer hatten wegen der Wahlkrise kein Neujahr, das holen wir jetzt nach", freut sich der Rechtsanwalt Phillip Murgor auf einen feuchtfröhlichen Abend. Und Kellner Richard, der im "Deep West" schon einmal die Tanzfläche wischt, ist sich sicher: "Wenn Ihre Leser morgen Ihren Artikel lesen, dann wird hier immer noch getanzt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier