Kontaminierte Lebensmittel an Schulen: Die Tücken der Größe
Die Infektions-Fälle an ostdeutschen Schulen zeigen: Zentralisierte Catering-Strukturen trugen wahrscheinlich zur Verbreitung des Brechdurchfalls bei.
BERLIN taz | Die aktuelle Welle von Magen-Darm-Entzündungen zeigt, wie gefährlich stark zentralisierte Strukturen in der Lebensmittelbranche sein können. Denn der Trend zu immer größeren Lieferanten hat es erst möglich gemacht, dass der Erreger rasend schnell – binnen wenigen Tagen – auf mindestens 8.962 Menschen übertragen werden konnte.
Das Robert-Koch-Institut (RKI), die wichtigste Behörde für die Bekämpfung von Krankheiten, spricht wegen der hohen Fallzahl bereits vom mit Abstand größten lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch in Deutschland. Bislang deutet alles darauf hin, dass sich die Patienten – vor allem Kinder und Jugendliche – durch Essen in rund 340 Kindergärten und Schulen in Ostdeutschland angesteckt haben.
Fast alle diese Einrichtungen bekommen den Behörden zufolge ihre Mahlzeiten vom selben Lieferanten: dem Catering-Unternehmen Sodexo. Die französische Firma betreibt Betriebskantinen und verpflegt etwa 200.000 junge Menschen in Deutschland an mehr als 2.000 Schulen und Kindereinrichtungen.
Solche großen Kantinenbetreiber kaufen ihre Lebensmittel in riesigen Mengen zentral ein und bereiten sie in regionalen Küchen zu. Es könnte also sein, dass die Sodexo-Einkäufer eine Zutat erwischt haben, die verseucht war. Die genaue Ursache war laut RKI auch am Montag noch unklar.
Lieferanten der Caterer
Genauso können auch kleine Küchen das Pech haben, ein kontaminiertes Lebensmittel zu kaufen. Doch bei ihnen sind die Folgen sehr begrenzt: Ein Ausbruch in einer schuleigenen Küche trifft vielleicht 800 Kinder. Wenn aber ein Konzern wie Sodexo eine verseuchte Zutat verbreitet, erkranken gleich 8.000. Deshalb ist das potenzielle Risiko bei so großen Einheiten strukturell höher.
Diese Logik lässt sich auch auf die Lieferanten der Caterer übertragen. Denn um Mengenrabatte zu bekommen, kaufen die großen Caterer gigantische Volumina bei ebenso umsatzstarken Großhändlern sowie indirekt bei Agrar- und Lebensmittelkonzernen ein. Immerhin verläuft die Krankheit im aktuellen Fall bei den meisten Betroffenen kurz und unkompliziert; bei ihnen hören der Durchfall und das Erbrechen vergleichsweise schnell wieder auf.
Auch sind dem RKI bis Montag nur 23 Patienten gemeldet worden, die ins Krankenhaus mussten. Das war allerdings Glück. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis über die zusehends zentralisierten Strukturen der Lebensmittelbranche auch wieder tödliche Keime wie im vergangenen Jahr Ehec verbreitet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“