Konservative zoffen sich im EU-Parlament: Rechter als die CSU erlaubt?
Ungarns Premier Orbán sorgt erneut für Ärger in der EVP-Fraktion. Wie gehen die Konservativen drei Monate vor der EU-Wahl damit um?
Das führte zu heftigen Reaktionen – nicht nur in der EU-Kommission, sondern auch in der EVP. „Es gibt keine Verschwörung“, beteuerte Junckers Chefsprecher Margaritis Schinas am Montag in Brüssel. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, erklärte der Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber.
Selbst ein Ausschluss von Orbáns Fidesz-Partei scheint nicht mehr ausgeschlossen. Das dafür nötige Quorum – einen Rauswurf müssen mindestens sieben Mitgliedsparteien aus fünf Ländern beantragen – ist schon erreicht. Bei den Christdemokraten in Flandern, Luxemburg oder Schweden ist der Geduldsfaden gerissen.
Doch Orbán scheint dies nicht zu beeindrucken, im Gegenteil: Am Wochenende legte er in einem Interview nach. Seine Kritiker in der EVP bezeichnete er als „nützliche Idioten“, die nur „der Linken“ in die Hände spielten. Gleichzeitig kündigte er eine neue Schmutzkampagne an – diesmal gegen Junckers Stellvertreter Frans Timmermans.
Die Linken sind schuld
Das ist pikant. Denn Timmermans ist nicht nur für das Rechtsstaatsverfahren zuständig, das die EU gegen Ungarn eingeleitet hat. Der Niederländer ist zugleich auch Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl. Orbán versucht offenbar, seinen EVP-Kritikern die Spitze zu nehmen, indem er sich gegen „die Linke“ stellt.
Wie werden die Konservativen und Christdemokraten auf dieses neue Manöver reagieren? Aus der EVP-Parteizentrale in Brüssel kommen keine klaren Signale. Zwar hat sich auch Parteichef Joseph Daul von Orbán distanziert. Doch ob es nun tatsächlich zu einem Ausschlussverfahren kommt, lässt der Franzose offen.
Für einen endgültigen Bruch mit Fidesz braucht es eine Mehrheit in der politischen Versammlung der EVP, einer Art Präsidium. Es besteht aus dem Parteivorstand, der Fraktionsführung sowie jeweils einem Vertreter aus den Mitgliedsparteien. Doch dieses Präsidium tritt erst am 20. März wieder zusammen.
Wie es der Zufall so will, hat Orbán angekündigt, seine Kampagne gegen Juncker am 15. März zu beenden. Offenbar ist dieser Termin mit Bedacht gewählt. Bei der politischen Versammlung dürfte es den Orbán-Gegnern dann schwer fallen, eine Mehrheit zu organisieren. Denn wenn das EVP-Gremium tagt, wäre die Kampagne schon beendet.
Webers Schlingerkurs
Zudem kommt Orbán zugute, dass sich CDU und CSU noch nicht festgelegt haben. Aus den Parteizentralen in Berlin und München kamen Verwarnungen – aber noch keine Platzverweise. Die CSU steht zwar nicht mehr so bedingungslos hinter Orbán wie noch unter Ex-Parteichef Horst Seehofer. Doch CSU-Kandidat Weber sieht sich immer noch als Brückenbauer, der zwischen Ost und West vermittelt.
Webers unklare Haltung wird zunehmend zum Problem – nicht nur für die EVP, sondern auch für den Europawahlkampf. „Wenn Manfred Weber glaubwürdig sein will, muss er sich klar positionieren und den Ausschluss der Fidesz unterstützen“, erklärte Ska Keller, die Spitzenkandidatin der Grünen.
In dasselbe Horn bläst Martin Schirdewan, Topkandidat der Linken: „Ich bin für einen klaren Schnitt“, erklärte er. Weber müsse sich von Orbán lossagen und dessen „antisemitische Kampagne“ stoppen.
Brauchen sie Fidesz überhaupt?
Doch für die EVP geht es nicht nur um die Europawahl. Es geht auch um die Mehrheitsverhältnisse im neuen Europaparlament – schließlich will sich Weber von den Abgeordneten zum Nachfolger von Juncker wählen lassen. Die elf Parlamentarier von Orbáns Fidesz-Partei könnten zum Zünglein an der Waage werden, heißt es in der EVP.
Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Zum einen wurde Juncker bei der Europawahl 2014 ohne die Stimmen der Fidesz gewählt – Weber ist auf die Ungarn also nicht unbedingt angewiesen. Zum andern wird der CSU-Mann ohnehin Stimmen aus anderen Parteilagern brauchen, um sein Ziel zu erreichen. Neben den Sozialdemokraten muss er, so die Umfragen, noch eine dritte Partei umwerben.
Doch nicht nur die Grünen wenden sich von der EVP ab. Auch die Liberalen – der zweite mögliche Koalitionspartner – fordern den Bruch mit Orbán. Auf Weber kommen schwere Tage zu. Wie auch immer er sich entscheidet – es könnte die EVP zerreißen und seine Wahlchancen mindern.
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