Konservative in Südfrankreich: Das vergiftete Geschenk
In Frankreich wollte sich Macrons Regierungspartei für die Regionalwahlen mit den Konservativen verbünden. Doch das ging gründlich schief.
Der bisherige Präsident der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA), Renaud Muselier, hatte zuvor schon Grund genug, sich Sorgen um seine Wiederwahl zu machen. Denn 2015 hatten die Konservativen bei den Regionalwahlen nur knapp gegen die Rechtsextremisten (damals angeführt von Marion Maréchal Le Pen) gewonnen, weil die Sozialisten ihre Liste vor dem zweiten Wahlgang zurückgezogen hatten.
Dieses Mal hat die extreme Rechte, Marine Le Pens „Rassemblement national“ (RN), echte Chancen, an der Côte d'Azur an die Macht zu kommen. Ihr Spitzenkandidat, Thierry Mariani, ist ein Überläufer aus den Reihen der Konservativen.
Nun kam die vermeintliche Hilfe von Emmanuel Macrons Regierungspartei La République en marche (LREM): Überraschend kündigte Premierminister Jean Castex in einer Sonntagszeitung an, er habe sich mit dem LR-Spitzenkandidaten auf eine Allianz geeinigt. Folglich werde die LREM in der Region PACA keine eigene Liste aufstellen, sondern mit mehreren Leuten auf einer offenen LR-Liste kandidieren. Auch die Staatssekretärin Sophie Cluzel (LREM), die ursprünglich eine Liste der Regierungsmehrheit in dieser Region anführen sollte, war anscheinend überrumpelt von der Einladung, nun bei den Konkurrenten von LR um einen Listenplatz betteln zu müssen.
Brüske Wende
Eine Einheit LR-LREM wäre eine brüske Wende in der Bündnispolitik: Die Konservativen sind in der Opposition und kritisieren die nationale Regierungspolitik von Castex bei jeder Gelegenheit von rechts. Entsprechend perplex war die konservative Parteizentrale in Paris, die von Muselier nicht in seine Verhandlungen eingeweiht worden war.
Wie könne LR in Zukunft noch als Oppositionskraft glaubwürdig sein, wenn sie bei Regionalwahlen offenbar dasselbe Programm hatte wie Macrons LREM?, protestierte Parteichef Christian Jacob. Er drohte Muselier mit dem Entzug der Nominierung als LR-Kandidat oder gar dem Parteiausschluss. Noch viel heftiger protestierten Vertreter des rechten Flügels wie der LR-Abgeordnete von Nizza, Eric Ciotti, ein Hardliner in der Sicherheitspolitik. Mehr denn je wurde deutlich, wie gespalten die Konservativen sind.
Schon bei der Gründung seiner Bewegung „En marche“ und seiner Wahl als Präsident hatte Emmanuel Macron nicht nur enttäuschte Sozialisten, sondern auch zahlreiche prominente LR-Mitglieder abgeworben, unter ihnen den jetzigen Regierungschef Castex und dessen Vorgänger Edouard Philippe. Die Regionalwahlen sind für ihn bloß eine weitere Gelegenheit, sein Vorhaben, die traditionellen Parteien auszuschalten, konsequent fortzusetzen. Das Allianzangebot im Süden war eine freundliche Übernahmeofferte und ein vergiftetes Geschenk. Wären sie darauf eingegangen, hätten die Konservativen um ihre Existenz als unabhängige Kraft fürchten müssen.
Das musste auch Muselier nach einem langen Hin und Her einräumen. Er bleibt schließlich offizieller Kandidat der konservativen Rechten – unter der Bedingung, dass er keine Regierungsmitglieder oder andere bekannte LREM-Politiker auf seiner Liste aufnimmt. Damit war explizit die Staatssekretärin Sophie Cluzel gemeint, die so zum Spielball taktischer Manöver wurde. Sie will nun trotzig doch noch mit einer eigenen Liste antreten.
Macron räumt abseits seiner Mitte ab
Das bürgerliche Lager insgesamt hat sich mit diesem von den Medien als „Psychodrama“ beschriebenen Versuch einer Einheit gegen den Vormarsch der extremen Rechten diskreditiert. Die einflussreichen Bürgermeister von Nizza und Toulon, Christian Estrosi und Hubert Falco, die beide mit Macron sympathisieren und Museliers Ankündigung einer Wahleinheit mit LREM lebhaft begrüßt hatten, sind am Ende des Streits mit der Parteiführung aus LR ausgetreten. Macrons Rechnung, links und rechts seiner Mitte abzuräumen, geht also erneut auf.
Die nicht weniger gespaltene politische Linke im Süden kann nicht einmal so etwas wie Schadenfreude genießen. Ihre eigene Rolle wird sich voraussichtlich darauf beschränken, wie schon vor sechs Jahren bei der Stichwahl um den Vorsitz zu Gunsten von LR oder LREM zu passen, um so nochmals einen Sieg der Rechtsextremisten zu verhindern.
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