Konny Neumann zum Säkularen Forum: „Nicht zum Glauben erziehen“
Das neue Säkulare Forum Hamburg, ein Dachverband von Humanisten und anderen Konfessionslosen, will den Kirchen gleichgestellt werden – auch finanziell
taz: Herr Neumann, wie viele Hamburger sind nicht in der Kirche?
Konny G. Neumann: 60 Prozent. Bundesweit sind es 34 Prozent, gefolgt von 29 Prozent Katholiken und 28 Prozent Protestanten.
Wozu brauchen diese Konfessionslosen den just gegründeten Dachverband „Säkulares Forum Hamburg e. V.“?
Um den Kirchen gleichgestellt zu werden. Die bekommen vom Staat Millionenbeträge etwa für ihre Kirchentage. Wenn wir unsere Humanistentage ausrichten und mit vielen Menschen über friedliches Zusammenleben debattieren, bekommen wir nichts. Das verstößt gegen das Grundgesetz, demzufolge niemand bevorteilt werden darf. Um das zu ändern und politischen Druck zu erzeugen, müssen unsere Mitgliedsvereine mit einer Stimme sprechen.
Welche sind das?
Die Giordano-Bruno-Stiftung, der Humanistische Verband Hamburg, die Interessengemeinschaft humanistische Lebenskunde, die Jugendweihe Hamburg, die Stiftungen Geistesfreiheit und Unitatis und der Verband Freier Weltanschauungsgemeinschaften. Insgesamt rund 1.000 Mitglieder.
Sie wollen unter anderem Einfluss auf Weltanschauungsunterricht an Schulen nehmen.
Ja. In Berlin zum Beispiel werden „Lebenskunde“-Lehrer inzwischen ebenso vom Staat bezahlt wie Religionslehrer. Weil inzwischen 50 Prozent der Kinder „Lebenskunde“ wählen, hat die dortige Humanistische Union für die Lehrerausbildung eine humanistische Akademie gegründet.
Was in Hamburg nicht ginge, weil alle Lehrer durch das staatliche Referendariat müssen.
Ja. Aber wir wollen Einfluss auf Referendariats- und Lehrpläne. Der Hamburger Religionsunterricht für alle basiert bislang auf Verträgen mit den Kirchen, der jüdischen Gemeinde und den Aleviten. Da sagen wir: Es kann nicht richtig sein, dass zum Glauben an Gott erzogen wird, wenn dieser Unterricht für alle sein soll.
Worin unterscheidet sich säkulare von religiöser Ethik?
Bis auf das erste biblische Gebot „Du sollst keine andern Götter neben mir haben“ kaum.
Trotzdem fordern Sie weltliche Seelsorger. Wie tröstet ein Humanist Angehörige eines Unfalltoten?
Er würde nicht sagen: Wenn du in 14 Tagen stirbst, seid ihr im Himmel wieder vereint. Er würde eher versuchen, im Hier und Jetzt zu sagen, dass dies ein schwerer Schicksalsschlag ist und natürlich Trost spenden.
Plädieren Sie auch für legale Sterbehilfe?
Wenn laut Grundgesetz die Würde des Menschen unantastbar ist, kann er selbst entscheiden, wie er leben und sterben möchte. Die Kirchen sagen, du kommst bald in Gottes Hand, also ist es nicht so schlimm. Das teilen wir nicht. Wir sind auch gegen die Bestrafung von Ärzten, die Sterbehilfe leisten.
Sollten schmerzfrei tötende Medikamente also frei verkäuflich sein?
Das muss von Ärzten verantwortet werden. Für den Verkauf an der Ladentheke sind wir nicht.
Dann entscheidet also doch der Arzt, ob jemand sterben darf.
Nein. Er berät mich, wenn ich diesen Wunsch habe. Allerdings gilt die Selbstbestimmung auch für den Arzt. Man darf ihn nicht zwingen, das Medikament zu verschreiben. Wenn er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, muss der Sterbewillige einen anderen Arzt finden.
In Ihrem Programm finden sich auch Jugendweihe und Wintersonnenwende. Führen Sie durch Rituale die Religion klammheimlich wieder ein?
Der Mensch ist Produkt der Evolution, hat Gefühle und Triebe, und das Bedürfnis nach Ritualen gehört dazu. Dass sie – wie die jahrtausendealte Sommersonnenwendfeier – von den Nazis missbraucht wurden, macht die Sache natürlich problematisch.
Apropos: Wie wollen Sie rechte Unterwanderung vermeiden?
Indem wir unsere Mitglieder etwa durch das Buch „Humanisten für Menschenrechte und Toleranz – gegen Antisemitismus, Fundamentalismus, Extremismus“ sensibilisieren, das wir gerade edieren. Sollte sich irgendwann herausstellen, dass sich trotzdem Nazis eingeschlichen haben, würden wir sie ausschließen.
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