Konkurrenz zur Bildzeitung: Karneval auf dem Boulevard
Der Kölner DuMont-Konzern kann nach seiner jüngsten Einkaufstour gleich mit einem Dreigestirn regionaler Straßenverkaufszeitungen die übermächtige "Bild" ärgern.
Claus Larass berät gut. Zum Beispiel, wenn man ihn in einem Café, das er kennt, zum Gespräch trifft. Er sagt dann: "Der frisch gepresste Orangensaft ist hervorragend." Und: Das stimmt. So viel zu seiner Ernährungsberatertätigkeit.
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Hauptsächlich berät Larass, 64, allerdings seit kurzem wieder den Kölner Verlag M. DuMont Schauberg (MDS), dessen Aufsichtsrat er einst angehörte. Vor kurzem hat der Verlag neben der Berliner Zeitung auch den Berliner Kurier und die Hamburger Morgenpost von der britischen Mecom-Holding übernommen. Und Larass (von 1992 bis 1998 Chefredakteur von Bild) solle nun bei der Weiterentwicklung dieser Boulevardgruppe helfen, sagte Vorstand Konstantin Neven DuMont Ende März: Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost sollen mit dem Express (Köln) verzahnt werden.
Über Details der Verzahnung mag Larass nicht reden: "Ich will keinem ins Handwerk pfuschen." Alle drei Zeitungen sollen eigene Chefredakteure behalten, "die für ihre Blätter voll verantwortlich sind", und er sei Berater, nicht Entscheider. Aber da "Verzahnung" unternehmerdeutsch für Personalabbau ist und Befürchtungen weckt, sagt er zumindest noch: "Es geht hier um eine Qualitätssteigerung. Ich sehe im Moment keinen zu großen Personalüberhang."
Man kann aber konkret auf die DuMont-Blätter beziehen, was Larass allgemein über den Boulevardmarkt sagt: "Die Preiserhöhungen, die sinkende Zahl an Kiosken, die höhere Zahl an Lesern pro Ausgabe, natürlich auch das Internet: All das sind Gründe dafür, dass die Auflagen sinken, aber man muss auch inhaltlich überlegen, ob alles gut ist, wie es ist." Eine Zeitung, die nicht unterhalte, könne zum Beispiel nur schwer bestehen.
Larass sagt, das gelte nicht nur für Boulevardzeitungen. Doch auf den Boulevard gewendet, klingt es wie eine Drohung: Über den Express schreibt sein eigener Verlag zum Beispiel, es gebe darin "mehr als nur reißerische Aufmacher". Was natürlich nichts anderes bedeutet, als dass es im Express in erster Linie reißerische Aufmacher gibt. Larass aber meint Unterhaltung anders: "Jede Zeitung muss sich fragen, ob sie den richtigen Ton trifft", sagt er. "Ich bezweifle zum Beispiel, dass die Leute diese öden Klatschberichte vom roten Teppich noch wollen." Wichtig dagegen sei es, zu erkennen, dass "die Leser zusätzliche Orientierungshilfen brauchen, weil sie ihr Lebensumfeld als komplizierter als früher betrachten". Und diese Hilfen müsse man dann auch für Bereiche wie Kochen über Autotipps bis zur Versicherungsberatung geben - "und zwar bedeutend ernsthafter als früher".
Eine Zusammenarbeit der drei DuMont-Kioskblätter sei für alle drei vorteilhaft, sagt Larass. "Es bedeutet vor allem eine Entlastung: Es müssen ja nicht drei Redakteure an einem Servicestück über Allergien im Frühling arbeiten, wenn das auch einer machen kann." Und Larass wendet die Entwicklungen der Gegenwart pflichtgemäß positiv: "Man freut sich über jede Zeitung, die eigenständig arbeitet", sagt er. "Und das ist heute wohl eher unter dem Dach eines größeren Unternehmens möglich." Man kann das auch anders sehen. Die Vielfalt nimmt weiter ab, wenn immer dieselben Unternehmen sich vergrößern; M. DuMont Schauberg ist mittlerweile der drittgrößte deutsche Zeitungsverlag.
Doch Eigenständigkeit ist eine relative Größe, gerade bei Boulevardblättern, wo selbst Redakteure aus Konkurrenzverlagen einander notfalls mit Korrespondententexten aushelfen - auch, um der Dominanz der Bild-Zeitung etwas entgegenzusetzen. Ob diese Dominanz durch die Bildung der DuMont-Boulevardgruppe nun brechen wird? Mit MoPo, Kurier und Express entsteht die zweitgrößte Boulevardgruppe hinter Bild, und die Bild-Auflage sinkt seit etwa zehn Jahren kontinuierlich; nun ist sie so niedrig wie seit 1962 nicht mehr. Allerdings liegt sie immer noch bei etwa 3,1 Millionen, die drei DuMont-Blätter kommen zusammen auf etwa 400.000 Exemplare. Bild in der Existenz bedroht? Kann man nicht behaupten.
Zudem ist die Verbindung von Express, Hamburger Morgenpost und Kurier nicht ganz neu. Neu ist, dass sie nun alle unter einem neuen Dach aufgehoben sind. MoPo und Kurier, die zuletzt zur Mecom gehört hatten, arbeiten längst zusammen. Und schon Ende der Neunzigerjahre gab es einmal den Versuch einer verlagsübergreifenden Kooperation von Morgenpost und Kurier, die damals noch zu Gruner+Jahr gehört hatten, mit dem Express (der seit seiner Gründung 1964 zu DuMont gehört).
Dass es auch noch alte Verbindungen zwischen Berliner Kurier und der Morgenpost Sachsen (gehört Gruner+Jahr) gibt, wirft Fragen auf: Ob auch diese Zusammenarbeit neu belebt wird? Und ob DuMont auch die Region um Halle wieder mit einer Boulevardzeitung beglücken will, wo dem Verlag die Mitteldeutsche Zeitung gehört und bis 1995 auch eine Express-Ausgabe erschien? Zumindest an Letzteres glaubt Horst Röper, Fachmann für Verlagsstrategien und Kopf des Formatt-Instituts, nicht. "Ich glaube nicht, dass DuMont versucht, Bild flächig Konkurrenz zu bieten", sagt er. "Vor 20 Jahren", als DuMont erstmals versuchte, in der Region Fuß zu fassen, "war die Bild-Zeitung in Ostdeutschland weitgehend unbekannt." Das hat sich geändert. Für Experimente wie nach der Wende, glaubt Röper deshalb, "ist heute nicht mehr die Zeit".
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