: Konjunkturprognose: mit 1
■ Optimismus der Forschungsinstitute erschüttert / Regierung zu Wachstumspolitik aufgefordert
Bonn (ap/taz) - Die Bundesregierung sollte nach Ansicht der fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze für mehr Waschstumsdynamik sorgen. In ihrem am Montag in Bonn veröffentlichten Frühjahrsgutachten erklären die Institute, die „Bedingungen für ein robustes Wachstum“ seien noch nicht gegeben. Das Umschalten von der Auslands– auf die Inlandsnachfrage sei noch nicht in dem nötigen Umfang gelungen und die Dynamik der Unternehmensinvestitionen sei zu schwach, als daß mit ihr die notwendige Verstärkung des Wachstums erreicht werden könne. Wie bereits am Freitag inoffiziell bekannt geworden, geben die Institute unterschiedliche Prognosen zur Entwicklung des Wirtschaftswachtums und der Arbeitslosigkeit ab. So rechnen das HWWA–Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg, das Institut für Weltwirtschaft der Universität in Kiel und das Rheinisch– Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen 1987 mit einem Wachstum von zwei nach 2,4 Prozent im vergangenen Jahr und einer Zunahme der Beschäftigten um 150.000. Die Zahl der Arbeitslosen schätzen sie auf rund 2,15 (Vorjahr: 2,23) Millionen (Quote: 8,5 nach 9,0 Prozent im Vorjahr). Demgegenüber erwarten das Münchener IFO–In stitut für Wirtschaftsforschung und das Berliner Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Zunahme des Bruttosozialprodukts um nur ein Prozent. Die Zahl der Beschäftigten wird nach ihrer Prognose um 125.000 zunehmen und die Zahl der Arbeitslosen mit 2,2 Millionen nur wenig unter der von 1986 liegen. In dem gemeinsam getragenen Teil des Gutachtens empfehlen die fünf Institute der Bundesregierung, die für 1990 vorgesehene große Steuerreform auf den frühstmöglichen Zeitpunkt vorzuziehen. Auf eine höhrere Mehrwertsteuer sollte nach Ansicht der Institute verzichtet werden, da dies verteilungspolitisch problematisch wäre und die Schattenwirtschaft fördern würde. Von einem automatischen Konjunktureffekt zur Senkung der Arbeitslosigkeit geht kein Institut aus. Die drei Institute der Mehrheitsposition gehen davon aus, daß die konjunkturellen „Bremswirkungen“ aus der Außenwirtschaft im Lauf des Jahres „fühlbar“ nachlassen werden. Das staatliche Defizit wird nach ihrer Einschätzung um fünf auf 30 Milliarden Mark anwachsen. In ihrem Minderheitsvotum gehen das IFO–Institut und das DIW von einer deutlich ungünstigeren wirtschaftlichen Entwicklung aus. Die verschlechterten Absatzchancen werden nach ihrer Ansicht auch die Investitionsneigung weiter dämpfen, „daraus entwickeln sich Elemente eines zyklischen Investitionsabschwungs.“
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