Konjunkturpolitik in Niedersachsen: Null Schulden gegen die Krise
Niedersachsen will die drohende Wirtschaftsflaute ohne Kredite meistern. Die Opposition erkennt Lustlosigkeit bei Ministerpräsident Christian Wulff. Dieser wiederum sieht die Krise als Chance, sagt er.
Angela Merkel redet vom größten Konjunkturpaket aller Zeiten - und wohl auch der größten Schuldenaufnahme. Barack Obama will demnächst gar satte 1,3 Billionen Dollar unters Volk verteilen - größtenteils kreditfinanziert. Nur die sturmerprobten Niedersachsen wollen die drohende Wirtschaftskrise ohne neue Schulden stemmen. Das kündigte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) am Mittwoch in Hannover an. Grund: Das Jahr 2008 sei finanziell so gut gelaufen, dass der Landesanteil am Bundespaket ohne Kredite zu schultern sei. 1,2 Milliarden Euro fließen in den kommenden zwei Jahren für Investitionen in die Kommunen, davon kommen auf das Land rund 300 Millionen zu.
Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein, die Probleme bei der Kapitalbeschaffung haben, können jetzt ein neues Finanzierungsangebot des Landes und seiner Förderinstitute nutzen. "Ab sofort können Handwerksbetriebe bei der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft stilles Beteiligungskapital bereits ab 25.000 Euro beantragen", sagte Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) am Mittwoch in Kiel. Mit dem Programm "Kapital für Handwerker" will die Landesregierung die Substanz und das so genannte Rating der Betriebe - und damit ihre Kreditwürdigkeit - stärken. In Schleswig-Holstein gibt es rund 24.000 Handwerksbetriebe mit mehr als 120.000 Mitarbeitern. DPA
Von der "Krise als Chance" sprach ein fast pastoral wirkender Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in einer Regierungserklärung im Landtag. Er sah die "Schönwetterperiode" im Land nur vorerst unterbrochen. Die Opposition warf Wulff und seiner Truppe dagegen "Abwarten und Tee trinken" vor.
"Die Landesregierung kompensiert ihrer Unterlassungssünden mit Berliner Geld", sagte etwa SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Die Aktivitäten von Schwarz-Gelb seien nicht nur "lustlos und kraftlos", eigentlich leite das Land nur Bundesmittel für Ganztagsschulen, Krippen oder Gebäudesanierung weiter, ohne selber zu zahlen, so Jüttner, der Millioneninvestitionen aus Niedersachen fordert.
Wulff solle sein "Vorruhestandsverhalten" ablegen, stichelte auch Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Er forderte, Milliarden aus "unsinnigen Projekten" wie Elbvertiefung oder Autobahnen in Null-Energie-Häuser umzulenken. Mit alternativen Energien könne Niedersachsen "zum Mekka einer neuen Zeit" werden, so Wenzel. Mit den Worten: "Die Sonne von gestern wärmt nicht mehr", schoss auch Linken-Fraktionschef Manfred Sohn wider das, was er als Wulffsche "Selbstbeweihräucherung" erkannt hatte.
Wenigstens etwas Einigkeit herrschte in Sachen Wolfgang Tiefensee: Der SPD-Bundesverkehrsminister vernachlässige den Norden seit Jahren, sagte CDU-Fraktionschef David McAllister. Für planfestgestellte Projekte wie dem sechsspurigen Ausbau der Autobahn 7 oder der Verlängerung der A 26 sowie mehrerer Ortsumgehungen könnten bereits ab dem Sommer die Bagger anrücken. Allerdings gingen vom milliardenschweren Straßenbaupaket Tiefensees bislang nur 78 Millionen Euro ins CDU-geführte Niedersachsen, aber 320 Millionen ins SPD-regierte Rheinland-Pfalz, rechnete McAllister vor. "Dass es mit dem Bundesverkehrsminister nicht immer einfach ist, den Eindruck habe ich auch", befand da sogar dessen Parteifreund Jüttner.
In der Zwickmühle befand sich Philipp Rösler, demnächst FDP-Wirtschaftsminister im Land: Das Berliner Maßnahmenpaket "erinnert an einen großen Erste-Hilfe-Kasten mit vielen Pflastern und weißer Salbe", sagte er. Er wetterte gegen Abwrackprämie und sinkende Krankenkassenbeiträge und pries Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Dass die Zustimmung Niedersachsens im Bundesrat durch das Nein der FDP wackele, war von ihm nicht zu vernehmen - gerade mal, dass man "Widerstand" gegen die unsinnigsten Beschlüsse leisten werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!