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Konjunkturgefälle in DeutschlandDas wird noch Jahrzehnte dauern

Ost und West gleichen sich lange nicht an. Grund ist die hochproduktive Industrie in den alten und die niedrige Kapitalintensität in den neuen Bundesländern.

Die Arbeitsproduktivität ist in Ostdeutschland derzeit deutlich niedriger als im Westen. Bild: dpa

HALLE dpa | Gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West wird es nach Ansicht des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) noch lange nicht geben. "Aus ökonomischer Sicht sind wir da noch meilenweit entfernt, das wird auch noch mehrere Jahrzehnte dauern", sagte der Konjunkturchef des Instituts, Oliver Holtemöller, der Nachrichtenagentur dpa.

Die Arbeitsproduktivität pro Erwerbstätigem etwa liege in Ostdeutschland derzeit zwischen 75 und 80 Prozent im Vergleich zu der im Westen, sagte er. Ein Grund dafür sei die unterschiedliche Zusammensetzung der Branchen in Ostdeutschland im Vergleich zur Branchenstruktur im Westen der Republik.

"Die hochproduktiven deutschen Industrien wie der Export-Maschinenbau sind in den alten Ländern angesiedelt", sagte der Wirtschaftsprofessor. Im Vergleich dazu sei etwa in Sachsen-Anhalt die Nahrungsmittelbranche sehr stark vertreten. Dort sei die Wertschöpfung aber relativ niedrig. Zudem verfüge Ostdeutschland über eine niedrigere Kapitalintensität.

Es gebe weniger privates Kapital, das in Unternehmen fließen könne. Ostdeutschen Firmen sei es vor 1990 nicht möglich gewesen, Kapital anzuhäufen. Ein weiteres Problem in Ostdeutschland sei die Überalterung. "Das führt dazu, dass der Anteil, der arbeitet, niedriger ist als im Westen, weil es in den neuen Ländern mehr Rentner gibt", sagte Holtemöller.

Solidarpakt läuft 2019 aus

"Ostdeutschland kann nur aufholen, wenn die Arbeitsproduktivität schneller zunimmt als im Westen. Dazu sind innovative Kräfte und Ideen nötig", sagte der Konjunkturexperte. So müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit gut ausgebildete junge Menschen in den ostdeutschen Ländern bleiben, Familien gründen und möglichst nach dem Studium innovative Firmen gründen.

"Dafür bieten gute Bedingungen zur Kinderbetreuung und gute Studienbedingungen eine doppelte Chance", sagte er. Holtemöller sprach sich zugleich klar gegen eine Verlängerung des Solidarpakts aus. Dieser laufe 2019 aus, und daran sollte auch nichts geändert werden. Holtemöller: "Man muss erreichen, dass man sich nicht daran gewöhnt, auf Dauer von Subventionen zu leben."

Die Leiterin der Abteilung Strukturökonomik, Jutta Günther, und IWH-Konjunkturchef Holtemöller führen das Institut seit dem Abgang des bisherigen Präsidenten Ulrich Blum als Interimsvorstand.

Das Team wird laut Sachsen-Anhalts Wirtschaftsministerium ab Januar von Tankred Schuhmann vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben als neuer administrativer Leiter unterstützt. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle gehört auch zur Leibniz-Gemeinschaft und soll sich in diesem Jahr wissenschaftlich neu ausrichten.

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9 Kommentare

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  • W
    Waldrabe

    Im Rückblick muss mann sagen kann ich @demokratin, zumindest teilweise, zustimmen. Mit der Wiedervereinigung und der Währungsreform wurde der Zugriff der Wirtschaftsunternehmen der alten BL auf die Betriebe der neuen BL geregelt und der Rückbau "unliebsamer" Konkurrenz vorangetrieben. Selbst wenn die Wirtschaftskraft der ehemaligen "Staats"betriebe geringer war, so waren sie scheinbar doch ein ernstzunehmender Konkurrent im Kampf um Absatzmärkte und Marktanteile. Insofern war es doch sehr günstig sich nur Märkte zu sichern jedoch für die strukturelle Entwicklung der Regionen wirtschaftlich keine Grundlagen zu legen. Aber auch das wird sich rächen, halt nur, wie @demokratin bemerkte, etwas später.

  • A
    anno

    @ingo: "Was denkst du wäre passiert, wenn die Ostmark richtig abgewertet wäre?"

     

    Ganz einfach: Ein Exodus, demgegenüber die Abwanderung der letzten 20 Jahre wie ein laues Lüftchen vorgekommen wäre.

     

    Es gab ja genügend Sonder-Afa-/steuerfinanzierte Investitionen. Da a) auch bei Industrieproduktion der Anteil der Gehälter selten >30% liegt und b) kein Land auf die Mega-Produkte der (ehem.) DDR gewartet hat, wäre eine (nahezu) allein durch Exporte zu finanzierende Wirtschaft Ostdeutschlands kaum erfolgreich gewesen.

     

    Flaßbecks Ausführungen hierzu sind mE nur mit der Loyalität zu seinem alten Gönner Lafontaine zu verstehen. Um eine "abgewertete Ostmark" zu einem Erfolg zu machen, hätte man die Mauer nicht abreißen, sondern sie diesmal von der anderen Seite bewachen müssen - um die Massenabwanderung zu verhindern.

     

    ... exemplarisch denke man an die Millionen ausgewanderten Polen.

     

    P.S. @andreas, "auf den Osten als Produktionsstandort nicht angewiesen", wurde von dem späteren RWI-Präsidenten, dem Bochumer Ökonomen Klemmer vertreten. Da die Bochumer auch das IWH ein klitzekleinwenig beeinflußten, waren so schon zwei der fünf großen Wifo-Institute "informiert".

  • I
    Ingo

    @anno

     

    Was denkst du wäre passiert wenn die Ostmark richtig abgewertet wäre?

     

    Genau die ganzen Westunternehmen hätten im Osten investiert, da die Produktion dort sehr viel billiger wäre. Das hätte den Westen und die Politikerkaste dort getroffen, deswegen und wegen einiger Vorbehalte aus England und Frankreich wurde die Produktion im Osten zerstört.

     

    Nix Solidaritätszuschlag. Steuervergünstigungen für den Aufbau von richtiger Großproduktion, ist ganz logisch hätte den Osten mit sehr viel weniger Geld stark wie nie gemacht.

    ---------------------------------------------

     

     

    Gegen die Abwanderung gibt es auch gute Lösungen,

    radikal aber weniger kostenintensiv als alles andere.

  • J
    Jevu

    Wenn sich neue Bundesländer von Subventionen unabhängig machen wollen, könnten sie bei den überdimensionierten Beamten und Angestelltenapparaten anfangen. Bis 2019 lässt sich da sicher einiges frühverrenten, auslagern und kündigen und zusammenlegen. Viel Spaß mit den Gewerkschaften!

  • A
    Andreas

    Schon zur Wiedervereinigung war klar dass die westdeutsche und internationale Industrie auf den Osten als Produktionsstandort nicht angewiesen ist. Um den neuen ostdeutschen Markt zu befriedigen musste die Produnktionskapazität weltweit lediglich um ein paar promille erhöht werden. Dafür baut man keine neuen Fabriken. Stand wohl so ähnlich damals auch in der TAZ.

    Dass einzige was wirklich geholfen hätte wäre ganz Ostdeutschland als Steueroase, aber dazu war die Politik nicht bereit.

    Stattdessen gab es einen SOLI der im grunde nur den Konsum beförderte, wenig Innovationen schaffte, und die Abwanderung nach Westen bremste.

    Das Behalten der Ostmark, was nur ohne Wiedervereinigung möglich gewesen wäre, hätte nur eine noch raschere Abwanderung zur Folge gehabt.

  • A
    achwe

    Das Problem ist, dass in der DDR, ob man es hören will oder nicht, unproduktiv gearbeitet wurde. Schon immer war in dieser Gegend mehr die Landwirtschaft vertreten, als z.B. die Schwerindustrie. Es ist einfach schwierig, den Rückstand von 40 Jahren einfach wieder so aufzuholen. Ich denke es ist wichtig, den Osten an Westniveau heran zu führen, aber dabei hilft es nichts wenn man mit dem Soli die Innenstädte aufprotzt. Subventionen sind auch falsch, weil sobald die Subvention ausläuft meistens die Unternehmen wieder pleite gehen. In diesem Falll sind die großen Unternehmen gefragt, die dort Produktionsstätte aufbauen können und diese auch die ersten par Jahre mit Verlust führen können. Andere Firmen werden sich dann ansiedeln, so nach dem Motto der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das wäre ein Aufbau einer gesunden Wirtschaft, außerdem würde es den Staat keinen Cent kosten, der schon genug Investiert hat.

  • A
    anno

    "Hätten die Leute die Ostmark behalten.."

    Wenn das so toll funktioniert, dann würde ich vorschlagen, daß man die "Ostmark" sofort und ohne zu zögern in Berlin einführt: Ein Kaufkraftverlust von 50% müßte ja ganz phantastische Ergebnisse bringen ... falls ein Jahr nach Einführung noch irgendjemanden in Berlin geblieben ist, der lesen und schreiben kann.

     

    Die Unterschiede in der Produktivität sind nicht wegzuleugnen. Allerdings gibt dies ein schiefes Bild. Wenn man die Arbeitslosenquoten und die Kassenlage kommunaler Haushalte von Jena, Potsdam oder Dresden mit denen von Pforzheim, Offenbach, Nürnberg oder gar Dortmund vergleicht, könnte man auf den Gedanken kommen, daß "überholen ohne einzuholen" hier und dort längst stattgefunden hat.

  • D
    Demokratin

    Ich schliesse mich meinem Vorgänger an! Diese propaganda andauernd gegen die DDR kotz mich an. Zumal nicht einmal ein Linkes Blatt investigativen Journalismus mehr betreibt. (gab es den je überhaupt?)

     

    Die DDR wurde ganz gezielt gesteuert übernommen. Der Aufstand wurde inszeniert! Auch wenn die DDR am Ende war und zwar durch den bewussten Ausverkauf durch die alte BRD. Es ist sehr erstaunlich, dass ein kleines Land ohne Rohstoffe sich solange halten konnte. Und auch der Westen, der Kapitalismus, war am Ende und brauchte auch aufgrund des vorhandenen Geldsystems, welches auf Schulden basiert, wieder neues "Futter". Man hatte die Naivität der Ostdeutschen voll ausgenutzt! Also hat man erst den ganzen Schrott den Ossis verkauft, sie zu Billiglöhnern gemacht um sie dann in die Verschuldung zu "treiben". Genauso wie man es jetzt mit Griechenland getan hatte! So ist das kap. System, welches nur ein Lug-und Betrugssystem ist!

     

    Die Arroganz des Westens rächt sich jetzt. Und der Untergang ist absehbar. Da der Kapitalismus fetig hat. Wir befinden uns mitten im Zusammenbruch des kap. Systems. Im Zusammenbruch des bestehnden Betrugs-Geldsystems.

  • I
    Ingo

    So ein UNFUG. Der Osten ist so kaputt, weil

    er durch eine falsche Währungsreform nicht mehr handlungsfähig war.

     

    Hätten die Leute die Ostmark behalten, dann

    würde es da noch Industrie geben.

    Sicherlich wäre es im Westen nicht gut angekommen, wenn

    Millionen von Ossis Arbeit gesucht hätten und die Politiker wären ausgebuht worden. Langfristig wäre der Osten noch stärker gewesen.

     

    Wir zahlen nicht für den Osten begreift das endlich mal.

    Wir zahlen die Luftgeldschulden der DDR umgerechnet in DM

    und dann EURO zurück.

     

     

    DPA Propaganda!