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Konjunkturforscher über Lage in Deutschland"Das Stimmungsbarometer fällt"

Deutschland steuert zwar noch nicht auf eine Rezession zu, meint Konjunkturforscher Kai Carstensen vom ifo-Institut. Dennoch muss das ifo seine Wachstumsprognose nach unten korrigieren.

Die Deutschen haben weniger konsumiert als erwartet, sagt Carstensen. Bild: dpa

taz: Herr Carstensen, Ihre neueste Umfrage zum Wirtschaftsklima im Euro-Raum ist gerade herausgekommen. Die Wirtschaftsexperten scheinen eher pessimistisch zu sein. Richtig?

archiv

Kai Carstensen, 36, leitet die Konjunkturabteilung des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Am Mittwoch hat das ifo seinen vierteljährlichen Indikator für das Wirtschaftsklima im Euroraum veröffentlicht. Ergebnis: Die Stimmung unter den 238 befragten Wirtschaftsexperten fiel auf den niedrigsten Wert seit Mitte 2005. Für die nächsten sechs Monate erwarten sie keine Besserung - und eine weitere Abwertung des Dollars.

Kai Carstensen: Es zeichnet sich tatsächlich eine kräftige Abkühlung beim Wirtschaftsklima ab. Das Stimmungsbarometer fällt weiter.

In welchen Ländern sind die Experten besonders besorgt?

In Belgien, Spanien und Irland. Dort sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren sehr stark gestiegen und nun fürchtet man offenbar, dass diese Blase wie in den USA platzen könnte.

Und wie schlecht ist die Stimmung in Deutschland?

Hier ist man nicht so pessimistisch - aber die Erwartungen für die Zukunft gehen zurück.

Im Dezember haben Sie prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaft 2008 um 1,8 Prozent wächst. Bleiben Sie dabei?

Intern arbeiten wir gerade an einer Revision. Wir sind nicht mehr ganz so optimistisch.

Was heißt das in Prozent?

Momentan möchte ich noch keine konkrete Zahl nennen. Aber sie wird niedriger ausfallen.

Was bewegt Sie zu dieser schnellen Korrektur?

Unsere Modelle waren extrem sorgfältig gerechnet.

Aber?

Manches ist nicht vorherzusehen. So hätte der Konsum in Deutschland stärker anziehen müssen

...tatsächlich ist jedoch sogar das Weihnachtsgeschäft eingebrochen...

...dabei hatten die Deutschen objektiv mehr Geld in der Tasche, weil viele neue Jobs entstanden sind. Aber das Verhalten der deutschen Konsumenten ist eben sehr schwer zu prognostizieren. Sie sind schnell verunsichert und legen das Geld lieber auf die hohe Kante.

Welche Rolle spielt die Rezession in den USA? Schwappt sie nach Deutschland?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass niemand weiß, ob wir in den USA überhaupt schon eine Rezession haben. Bisher wächst die US-Wirtschaft noch - wenn auch extrem schwach.

Aus dieser Unsicherheit hat sich eine Art Massensport unter deutschen Ökonomen entwickelt. Motto: "Rate mal, wie wahrscheinlich eine US-Rezession ist." Was sagen Sie?

Das ifo-Institut geht von einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent aus.

Damit sind Sie ja auf der absolut sicheren Seite. Egal, wie es kommt - Sie werden Recht behalten.

Wir wollen nur ausdrücken, wie unklar die Situation in den USA ist. Was man allerdings berücksichtigen muss: Eine US-Rezession würde zwar weltweit Bremsspuren hinterlassen, aber Länder wie Indien und China werden wichtiger und würden die Auswirkungen dämpfen.

Ihr Chef Werner Sinn denkt trotzdem schon über ein Konjunkturprogramm für Deutschland nach, falls es hier zu einer Rezession kommen sollte.

Er hat Steuersenkungen vorgeschlagen, weil sie am schnellsten wirken. Jeder Bürger weiß am besten, was er benötigt.

Aber der Bürger spart gern - die Steuersenkungen könnten verpuffen. Wäre es nicht effektiver, wenn der Staat in die Infrastruktur investierte, um die Wirtschaft anzukurbeln?

Das dauert zu lange. Manche Planfeststellungsverfahren benötigen zehn Jahre! Und denken Sie an den "Aufbau Ost": Dort wurden Kapazitäten in der Baubranche gefördert, die hinterher wieder schmerzhaft abgebaut werden mussten. Aber noch mal: Ich sehe gar nicht, dass Deutschland momentan in eine Rezession abgleitet. Das Wachstum wird nur schwächer.

Und was heißt das für den Aktienindex DAX?

Im ifo-Institut haben wir uns verständigt, keine Prognosen zu aktuellen Kursen abzugeben, weil in ihnen bereits alle verfügbaren Informationen eingepreist sind. Deswegen erstellen wir auch keine Prognosen zum Ölpreis.

Da sind andere Institute aber weniger vorsichtig. Das DIW beispielsweise glaubt, dass sich der Ölpreis in den nächsten zehn Jahren verdoppelt und dann bei 200 Dollar pro Barrel liegt. Was würde das für die deutsche Wirtschaft bedeuten?

Sie würde ganz sicher nicht zusammenbrechen. In der Vergangenheit hatten wir auch schon Verdopplungen des Ölpreises. Für einige Branchen wäre es natürlich gravierend, dafür würden etwa alternative Energien wettbewerbsfähiger. Wenn sich der Ölpreis nicht schockartig erhöht, würden sich die negativen Konsequenzen in Grenzen halten.

Bei so viel Optimismus: Ist die internationale Finanzkrise auch schon vorbei?

Noch nicht. Es heißt ja immer so schön, dass die Banken ihre "Leichen im Keller" heben sollen. Aber was heute noch werthaltig erscheint, mag morgen ein Abschreibungsfall sein. Es dürften also noch neue "Leichen" dazukommen, solange sich die Abwertungsspirale weiter nach unten dreht.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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