Konidebüt in Schwarz-Weiß: Zynismus ohne Gewinner
Gela Babluani liefert mit "13 (Tzameti)" einen kleinen, fiesen Terrorfilm in Schwarz-Weiß. Falsche Fährten und Zynismus lassen die Hauptfigur am Ende des Spiels scheitern.
Es steckt etwas Diabolisches in den Bildern von "13 (Tzameti)", dem Regiedebüt von Gela Babluani, und zwar gerade weil einem die Ästhetik zunächst so vertraut scheint. Man verbindet mit dem hochstilisierten, gestochen scharfen Schwarz-Weiß eigentlich hübsche Pärchen in Pariser Straßencafés oder junge hippe Männer in schmalen Anzügen, die sich in poststrukturalistische Diskussionen verstricken. Möglicherweise auch einen Fünfzigerjahre-Noir-Krimi. Die Bilder des georgischen Regisseurs haben etwas dezidiert Französisches: sehr kultiviert, sehr flüssig, mit diesem untrüglichen Sinn für die Beschaffenheit von filmischen Räumen - und das nicht nur wegen des verschwenderischen Cinemascope-Formats. Dabei ist der Stilwille nur die erste in einer Reihe falscher Fährten, die Babluani in den folgenden 90 Minuten legen wird.
Die Hauptfigur ist Sebastien (Georges Babluani, der Bruder des Regisseurs), Sohn georgischer Immigranten, der mit Gelegenheitsjobs seine Familie durchzubringen versucht. Auch dieses Informationsfragment ist nur eine Finte. Ein gesellschaftskritischer Subtext mag "13 (Tzameti)" ansatzweise durchziehen, doch in Wahrheit ist Babluanis Film eine bösartige Maschine, die auf einen einzigen perfiden Höhepunkt hin konstruiert ist. Sebastiens Herkunft spielt nur insofern eine Rolle, als sie ihn als jemanden kennzeichnet, dem zu der Welt, in der er verkehrt (reiche Schnösel mit Landhäusern in der Normandie), nur Zutritt über den Lieferanteneingang gewährt wird.
Sebastien kennt seinen Platz in dieser Gesellschaft, und folglich muss sein Versuch, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, bitter bestraft werden. Ein gestohlener Brief, Schlüssel zu einer größeren Geldsumme, führt Sebastien auf eine mysteriöse Schnitzeljagd durch die französische Provinz. Er folgt Instruktionen, die für einen anderen bestimmt sind. Als er seinen Fehler erkennt, ist es längst zu spät. Er findet sich in einem Raum mit einem Dutzend schwitzender, zugedröhnter Männer wieder, die alle einen Revolver in der Hand halten. In jeder Trommel befindet sich genau eine Kugel. Es ist ein tödliches Spiel. Wer als Letzter steht, hat gewonnen.
Spätestens an diesem Punkt entpuppt sich die klassische Eleganz von Babluanis monochromen Einstellungen als böser Witz; denn "13 (Tzameti)" ist aus demselben Holz geschnitzt wie die "Saw"-Reihe oder "Hostel": ein fieser, kleiner Terrorfilm, der diese besondere Form von Extrem-Existenzialismus auf eine neue Bewusstseinsebene zu heben versucht - eine Art Sado-Nouvelle-Vague. Oder Robert Bresson für Adrenalin-Junkies. Er ist etwas ansehnlicher geraten als die Hollywood-Pendants. Dass das Blut in diskreten Grautönen aus dem Off spritzt, verschafft "13 (Tzameti)" eine Aura des Morbid-Erhabenen.
Und auch das stellt sich bald als Trugschluss heraus. Babluani hat ein hochverdichtetes Terror-Szenario entworfen, das sich jeder Auflösung in Metaphern und Symbole entzieht. Das gelingt ihm zuweilen bravourös, bringt jedoch auch eine eigene Perfidie mit sich. Sein Film erwacht erst zum Leben, als der Tod immer gegenwärtiger wird. Die halbe Stunde in einem Raum mit den Todeskandidaten ist es, worauf "13 (Tzameti)" hinausläuft. Was davor und danach geschieht, bleibt reine Makulatur. Die reglosen, apathischen Gesichter, in die die Kamera blickt, haben nichts Menschliches mehr an sich. Wie Schlafwandler laufen die Mitspieler - Gescheiterte, Nicht-Existenzen, Lebensmüde - zwischen den Runden umher, mit Drogen vollgepumpt. Der Schiedsrichter bellt wie ein Kapo seine Kommandos in den Raum. Und das Publikum - reiche alte Männer ohne einen Funken Moral - steigert sich in seinen eigenen Rausch. Das Leben der Mitspieler ist nicht die Kugel wert, die im Lauf ihrer Waffe steckt.
Die Ungerührtheit, die der Film suggeriert, hat etwas Unausweichliches, Nihilistisches. Babluanis Menschenbild folgt demselben modischen Zynismus, der gerade in Hollywood angesagt ist. Zugleich zeichnet Babluanis Bilder eine sublime Trostlosigkeit aus - eine sehr osteuropäische Sensibilität, möchte man meinen. Aber da holt Babluani auch schon zu seiner finalen Volte aus, seiner zynischsten. Es gibt kein Entrinnen in "13 (Tzameti)". Und keine Gewinner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!