Kongos Rebellenführer unter Arrest: Nkunda wird Faustpfand für Ruanda
Bewährungsprobe für die neue kongolesisch-ruandische Allianz: Der kongolesische Rebellenführer Nkunda wurde in Ruanda unter Hausarrest gestellt.
GOMA taz Sinniger hätte man Laurent Nkunda nicht ärgern können. Seit seiner Verhaftung in Ruanda in der Nacht zum Freitag wird der kongolesische Rebellenführer in der ruandischen Grenzstadt Gisenyi unter Hausarrest festgehalten, in einer Residenz auf einem Berghang mit wunderschönem Blick auf das benachbarte kongolesische Goma. Dies bestätigten gut informierte Kreise am Wochenende der taz. Nkunda hat die ostkongolesische Provinzhauptstadt seit Jahren nicht mehr gesehen, aber seine Truppen haben sie in den letzten Monaten belagert.
Was aus Nkunda nun wird, bleibt unklar. Böse Zungen in Ruanda sagen, juristisch habe man den Chef der Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) lediglich wegen unerlaubten Grenzübertritts festnehmen können, da ansonsten nichts gegen ihn vorliegt und der im Kongo existierende Haftbefehl nicht international gilt. Ruanda sagt, Nkunda habe die gemeinsame ruandisch-kongolesische Militäroperation gegen die im Kongo tätigen ruandischen Hutu-Milizen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) stören wollen, und jedem, der dies tue, drohe das gleiche Schicksal. Wenn Kongo Nkunda wolle, müsse es seine Auslieferung beantragen. So wird der Rebellenchef in der Haft erst das, wofür Kongos Regierung ihn irrtümlich schon lange hielt: ein ruandisches Faustpfand. Das könnte Ruanda nützlich werden in der neuen Allianz mit Kongos Regierung, deren Belastbarkeit sich erst noch bewähren muss.
6.000 bis 7.000 ruandische Soldaten stehen nach ruandischen Berichten inzwischen im Kongo, um zusammen mit Kongos Armee die FDLR zu bekämpfen. Bei ersten Kämpfen im Distrikt Lubero rund 200 Kilometer nördlich von Goma wurden am Freitag neun Milizionäre getötet, meldete der kongolesisch-ruandische Generalstab der "gemeinsamen Operation". Diese bisher unbekannte Struktur, die sich erstmals bei der Bekanntgabe von Nkundas Verhaftung am Freitagmorgen zu Wort gemeldet hatte, wird von Kongos Polizeichef geleitet, Generalleutnant John Numbi, zusammen mit Ruandas Armeechef James Kabarebe. Numbi ist traditionell der Verbindungsmann des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila bei Verhandlungen mit den Nkunda-Rebellen. Die neue Struktur geht an der offiziellen Armeeführung im Kongo vorbei: Kongos Armeechef Didier Etumba sagte in Kinshasa, er wisse nichts von der gemeinsamen Militäroperation mit Ruanda, diese binde "lediglich die Regierung".
Die Verhaftung Nkundas hat eine Debatte über mögliche weitere Verhaftungen nach sich gezogen. Gegen Nkundas wichtigsten Rivalen in der CNDP, Bosco Ntaganda, der Anfang Januar Nkunda für abgesetzt erklärt und der die Rebellen per Einstellung ihrer Kämpfe am 16. Januar zum Mitspieler beim Aufbau der kongolesisch-ruandischen Allianz gemacht hatte, liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Dass ein international als Kriegsverbrecher gesuchter Rebellenführer in Gomas Hotels ein und aus geht, um unter den Augen von UN-Blauhelmen Gespräche zu führen, erstaunt viele. In der UN-Mission im Kongo (Monuc) ist nun eine Debatte im Gange, ob man Bosco Ntaganda nicht festnehmen sollte. Sicherheitshalber überlässt er Gespräche mit Kongos und Ruandas Generälen seinem Stellvertreter Sultani Makenga. Eine Festnahme Ntagandas durch die UNO könnte die CNDP ärgern und die Lage erneut chaotisieren, denn die CNDP kontrolliert die Nachschubwege der gegen die FDLR kämpfenden Truppen.
Am heutigen Montag beginnt in Den Haag der Prozess gegen den nordostkongolesischen Warlord Thomas Lubanga. Lubanga, mit dem Ntaganda einst zusammen im Distrikt Ituri kämpfte, wird wegen Rekrutierung von Kindersoldaten durch seine Miliz UPC (Union Kongolesischer Patrioten) 2002 und 2003 belangt. Es ist der Beginn des ersten Prozesses des Internationalen Strafgerichtshofs, aber sein historischer Charakter wird jetzt schon durch die dramatischen Ereignisse im Kongo der Gegenwart überschattet.
DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen