Konflikt im Ostkongo: EU ohne klare Linie

Die Welt schaut ratlos in den Osten Kongos. Die UN-Mission wird erstmal nicht verstärkt. Und Europa ist sich uneins - Diplomatie oder militärische Intervention?

Kongos Armee ist das Haupthindernis für einen effektiven Schutz der Bevölkerung. Bild: dpa

BRÜSSEL/BERLIN taz Belgien und Frankreich fordern die Entsendung europäischer Eingreiftruppen in den Osten der Demokratischen Republik Kongo. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sagte am Mittwoch, er befürworte die Entsendung von 1.500 Soldaten, um die Gewalt zu beenden. Ein EU-Gipfeltreffen soll darüber in den nächsten Tagen beraten. 2.000 bis 3.000 Soldaten seien nötig, sagte gestern in einem Interview der belgische Außenminister Karel de Gucht, um zwischen der Provinzhauptstadt Goma und der von Rebellen gehaltenen Distrikthauptstadt Rutshuru "humanitäre Korridore" zu öffnen und einen Waffenstillstand durchzusetzen. Es müsse sich um eine zeitlich begrenzte Mission mit klarer Aufgabe handeln.

Aber die Entsendung französischer Truppen in den Ostkongo wird von den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda sowie vom Nachbarland Ruanda strikt abgelehnt, wegen der Rolle Frankreichs während des Völkermords an Ruandas Tutsi 1994 und danach bei der Evakuierung der dafür verantwortlichen Hutu-Milizen in den Ostkongo. Ohne Ruandas Zustimmung ist ein solcher Einsatz direkt an der ruandisch-kongolesischen Grenze undenkbar. Und in Belgien gilt seit der Ermordung belgischer UN-Blauhelme in Ruanda zu Beginn des Völkermords, dass belgische Truppen nicht in ehemaligen belgischen Kolonien zum Einsatz kommen sollen - also auch nicht im Kongo.

Andere Truppensteller für eine EU-Truppe sind nicht in Sicht. Gestern nachmittag ruderte Kouchner ein wenig zurück: Ein EU-Einsatz im Kongo "bedeutet nicht, Soldaten in einen Kampfeinsatz zu schicken", sagte er.

Deutschland setzt lieber auf diplomatische Bemühungen: Es gebe keine militärische Lösung für die Krise im Ostkongo, sondern nur eine politische, heißt es aus Regierungskreisen; gemeint sind Direktgespräche zwischen den Präsidenten Kongos und Ruandas als erster Schritt zu einem neuen Friedensprozess für den Ostkongo. Diese Position teilt auch Großbritannien.

Eine europäische Kampftruppe für den Osten des Landes hatte Kongos Präsident Joseph Kabila am Dienstag bei einem Treffen mit ausländischen Botschaftern gefordert. Es gab darüber keine Einigung, denn die Diplomaten verwiesen Kabila im Gegenzug auf die mangelnde Umsetzung des im Januar vereinbarten Friedensprozesses für Ostkongo. Dieser "Amani-Prozess" sieht vor, dass alle Kriegsparteien der Region gemeinsam Schritte zur Demobilisierung planen.

Neue Mittel für die UN-Mission im Kongo (Monuc), ohnehin bereits die größte und teuerste UN-Mission der Welt, gibt es nicht. Das wurde am vergangenen Freitag bei einem Treffen der Kongo-Kontaktgruppe aus UNO, EU, USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden mit dem neuen Monuc-Militärkommandanten Vicente Dias de Villegas in Brüssel klar. Der spanische General reichte daraufhin bei der UNO seinen Rücktritt ein. Er hatte gemeinsam mit Monuc-Chef Alan Doss vergeblich dargelegt, dass man eine Kampfregion größer als Belgien nicht mit bloß 4.000 bis 6.000 Blauhelmsoldaten absichern kann, von denen ein Drittel mit logistischen Aufgaben beschäftigt ist und die nicht mal genügend Hubschrauber haben, um bei Kämpfen sofort zur Stelle zu sein.

Das Grundproblem für die Militärstrategen ist aber, dass ausländische Eingreiftruppen in Unterstützung von Kongos Regierungsarmee agieren müssen, und "Kongos Armee gibt es nicht", wie der belgische Außenminister de Gucht erklärt. Im September benannte eine Studie des französischen militärpolitischen Instituts Ifri mit dem Titel "Das vorhersehbare Scheitern der Sicherheitssektorreform im Kongo" bereits die Probleme. Kongos Militär zeichne sich durch "völligen Mangel an Professionalität" aus; 86 Prozent aller Menschenrechtsverletzungen im Kongo würden von staatlichen Sicherheitskräften begangen. Die EU-gestützte Reformpolitik, die die Befehlskette im Militär von der Finanzkette zur Auszahlung von Sold trennt, werde von den Generälen durch Unterschlagung unterlaufen. Es sei bis heute nicht klar, wie viele Soldaten Kongos Regierung eigentlich hat und wie hoch ihr Militärhaushalt ist.

Wie zu Bestätigung wurde vor zehn Tagen der Chef der Regierungskommission, die die Personalabteilung der Armee überwacht, verhaftet. François Malutshi hatte versucht, von den Soldlisten fiktive Soldaten und Polizisten zu streichen, deren Sold von hohen Offizieren abkassiert wird. FRANÇOIS MISSER

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