Konflikt im Nordirak: Waffenstillstand ausgehandelt
Nach drohender Eskalation des Konfliktes an der türkisch-irakischen Grenze machen die USA Druck auf Türkei und PKK. Nun hat die Diplomatie das Wort.
ISTANBUL/WASHINGTON taz Nach Tagen der militärischen Auseinandersetzung und wachsender Spannung entlang der türkisch-irakischen Grenze hat jetzt wieder die Diplomatie das Wort. Am Dienstag traf der türkische Außenminister Ali Babacan in Bagdad ein, um über die Beilegung der Krise im Nordirak zu sprechen.
Nach einer ersten Runde versicherte Außenminister Hoschjar Sebari, der Irak werde alles tun, damit die Türkei künftig nicht mehr von ihrem Staatsgebiet aus angegriffen wird und die PKK nicht länger die Beziehungen zwischen beiden Ländern vergiften kann. Babacan sprach sich für eine friedliche Lösung des Konflikts aus, wies aber zugleich das Angebot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zurück, die sich unter bestimmten Bedingungen zu einer Feuerpause bereit erklärt hatte.
Gleichzeitig flog Ministerpräsident Tayyip Erdogan gestern nach London, um mit Premier Gordon Brown über dasselbe Thema zu reden. Zuvor hatten bereits die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice und ihr britischer Kollege David Miliband den "Terror" der PKK verurteilt und die irakische Regierung aufgefordert, verstärkt dafür zu sorgen, dass die türkisch-kurdische Separatistenorganisation keine Angriffe auf Ziele in der Türkei vom Nordirak aus mehr unternehmen kann.
Vor allem dem Druck der USA ist es zu verdanken, dass nach den Kämpfen vom Wochenende wieder Ruhe eingekehrt ist. Dabei haben die USA offenbar im letzten Moment erreicht, dass die Türkei eine größere Militärintervention vertagt hat. Rice hatte Sonntagnacht in die laufende Sitzung des Sicherheitsrates in Ankara hinein erstmals angeboten, dass die USA selbst gegen die PKK militärisch vorgehen könnten, sagte Erdogan in einem Interview in Hürriyet. Demnach sorgte Rice in einer intensiven Telefonaktion dafür, dass die beiden irakischen Kurdenführer Dschalal Talabani und Massud Barsani die PKK so weit unter Druck setzten, dass sie am Montagabend einen Waffenstillstand ankündigte, "solange die türkische Armee uns nicht angreift".
Damit scheint nun erst einmal die Zeit gegeben zu sein, um den Versuch einer politischen Lösung zu unternehmen. Rice regte an, am Rande der Irak-Nachbarschaftskonferenz am 3. und 4. November in Istanbul ein Außenministertreffen der USA, Türkei und des Irak einzuplanen. Am 5. November wird Erdogan nach Washington fliegen, um mit Präsident George W. Bush zu konferieren. Für die Türkei wird es darauf ankommen, dieses Mal bindende Zusagen der irakischen Seite und damit auch der kurdischen Autonomieregierung von Barsani zu bekommen, die Lager der PKK im Nordirak aufzulösen und die Führer der PKK auszuliefern. Der Irak beziehungsweise die kurdische Autonomieregierung wird ihrerseits darauf drängen, dass die Türkei die kurdische Autonomieregierung künftig anerkennt.
Während Rice und ihr Kollege US-Verteidigungsminister Rob Gates alle Register zogen, um die PKK sowie die türkische Regierung zur Besonnenheit zu bringen, redete der irakische Vizepremier Barham Salih Tacheles. Salih, selbst Kurde und früherer Aktivist der Patriotischen Union Kurdistans, hält sich zur Zeit zu Gesprächen in Washington auf. Er warnte vor der Annahme, dass es hinsichtlich der PKK eine leicht zu erlangende Lösung gäbe. "Wir waren selbst Guerillas, bevor wir in die Bagdader Regierung kamen, wir wissen, wie der Guerillakampf geführt wird." Eine militärische Aktion seitens der Türkei könne zudem eine Einladung an den Iran sein, sich ebenfalls einzumischen. "Und das ist das Letzte, was wir in dieser Region noch brauchen", sagte Salih im Saban Center der Brookings Institution.
Leser*innenkommentare
Michael Sauter
Gast
Auf jeden billigen Trick der Herrschenden fallen Sie rein mit Ihrer Berichterstattung:
das türkische Militär kündigt im Einklang mit den USA Ruhe und Waffenstillstand an, um dann die PKK aus ihren Verstecken zu locken.
Zum anderen wäre zu fragen, welche Alternativen es von unten gibt zu einer Fortdauer des Nationalismus auf beiden Seiten.
Nicht allein die PKK ist heterogen, auch die Kurden haben viele andere Wege gefunden ihre Lage zu verbessern und Diskriminierung zu umgehen.
Vordringlich bleibt aber das Zurückdrängen eines anderen Aggressors: die auf Territorialexpansion in den Nordirak drängende Türkei.
Das entnehme ich den einschlägigen internetforen, in denen darüber seit längerer Zeit schwadroniert wird.
Politische Naivität wird von der taz immer wieder dadurch produziert, dass sie Neue Lösungen für langjährige Probleme bekannt gibt, oder vorschlägt, die mediale Initiative eines Machthabers als Neu oder als Verbesserung ausgibt, wo doch bereits bei genauerem Hinsehen durchsichtig wird, um was es geht: nicht um Gleichberechtigung, nicht um Gleichstellung, Selbstbestimmung, nicht um Grundsicherung (Fücks und Straubhaar),
Wir haben allen Grund Ihnen nichts zu glauben.
Oliver Stang
Gast
Schändlich wie die Staatengemeinschaft mit einem vefolgten Volk wie den Kurden umgeht.
Den Juden hat man einen eigenen Staat gegeben, ohne Rücksicht auf die dort ansässigen Palästinenser, warum läßt man die Kurden nicht auch ihren eigenen Staat ausrufen?
Hier wird die neofaschischtische Politik der Türken ganz deutlich.Ein Land wie die Türkei ist weit entfernt ein vollwertiges Mitglied der europäischen Gemeinschaft zu werden.
Ein EU Beitritt sollte mit der Autonomie der Kurden verbunden sein, aber das werden die Apparatschiksin Brüssel wohl zu verhindern wissen, gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Türkei.
Ich sage, pfui, schämt Euch Politiker des Westen, ihr seht wohl gerne zu wenn Menschen gejagt und umgebracht werden.