Konferenz zum „Klimanotstand“: „Mehr als Symbolpolitik“
Schon 74 Kommunen haben den „Klimanotstand“ ausgerufen. Am Wochenende vernetzten sie sich bei einer Konferenz in Berlin.
BERLIN taz | Aufbruchstimmung gab es am Wochenende in Berlin-Kreuzberg beim „1. Klimanotstandskongress“: Aktivist:nnen, Wissenschaftler:innen, Verwaltungsfachleute und Politiker:innen tauschten dort ihre Erfahrungen aus. Insgesamt 74 Städte und Gemeinden haben bislang offiziell den Klimanotstand ausgerufen, zum Kongress in Berlin kamen Vertreter:innen aus 34 Städten und allen Bundesländern.
Die „Volksinitiative Klimanotstand in Berlin“ hatte das Treffen kurzfristig organisiert, unterstützt von Fridays for Future, Extinction Rebellion, Fossil Free, Attac und weiteren Gruppen. Die bunte Mischung der Bewegung macht offenbar ihre größte Stärke aus. In Basel, das im Februar 2019 den Klimanotstand ausrief, waren es die Schüler:innen von Fridays for Future, die den Stadtrat regelrecht überrumpelt hatten. „Wir setzten einen offenen Brief in die größte Basler Zeitung, und der Stadtrat geriet in Panik“, berichtete ihr Vertreter Philippe Kramer lachend.
Das Beispiel Basel setzte eine enorme Dynamik in Gang. Als erste deutsche Kommune folgte Konstanz, dessen Gemeinderat im Mai 2019 den Klimanotstand ausrief. Oberbürgermeister Uli Burchardt, wohlgemerkt von der CDU, wünschte dem Kongress via Videobotschaft gutes Gelingen.
Konstanz gilt laut einer Analyse von Marie Kleeschulte vom „Klimabündnis“ zusammen mit Kiel, Wiesbaden oder Erlangen als Beispiel für „starke“ Notstandsbeschlüsse. Diese beinhalten etwa das Ziel der Klimaneutralität bis 2030, die Verpflichtung, nur noch klimaneutrale Gebäude zu bauen oder alle kommunalen Beschlüsse mit einem Klimavorbehalt zu überprüfen, ob sie mit dem Pariser Klimavertrag vereinbar sind. Das EU-weite „Klimabündnis“, das in 26 Ländern 1.757 Mitglieder hat, bietet auf seiner Website eine Musterresolution an.
Der Begriff „Klimanotstand“ bleibt umstritten
Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung sprach in seinem Vortrag davon, dass hier ein „neuer Akteur“ entstehe, der „mehr als reine Symbolik“ repräsentiere. Hirschl stellte die Ergebnisse einer Umfrage unter 26 Klimanotstands-Gemeinden vor. „Wenn ich Umweltministerin wäre“, so der Professor, „würde ich diese Kommunen fördern und ihren zusätzlichen Verwaltungsaufwand finanzieren.“ Klimapolitik als Querschnittsaufgabe kostet, und die Kommunen sind oft verschuldet.
Der Begriff „Notstand“ blieb derweil umstritten. Einige wollten ihn nicht mittragen, weil er an Notstandsgesetze erinnere, und bevorzugten das Wort „Klimanotlage“. Andere entgegneten, man spreche doch auch vom „Pflegenotstand“.
Ob Notstand oder Notlage: Das erste Bundesland mit starkem Klimavorbehalt könnte Brandenburg werden. Die Klimareferentin der dortigen Grünen, Ann-Morla Meyer, berichtete über den Koalitionsvertrag der neuen Kenia-Koalition. Darin haben die Grünen den Passus untergebracht, in Zukunft „alle entsprechenden Gesetze einem Klimacheck“ zu unterziehen.
Leser*innenkommentare
Ria Sauter
Gast
Auch meine Stadt hat den Klimanotstand ausgerufen. Das war es dann aber auch.
Jede springt auf den populären Zug auf. Handlungen dagegen gibt es keine.