Konferenz der Grünen: "Der Mensch hat Füße"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann verteidigte auf einer Parteikonferenz seine umstrittene Aussage, es sollten weniger Autos fahren. Ansonsten blieb es harmonisch.
BERLIN dapd/taz | Eine Woche nach ihrem Sonderparteitag, auf dem die Grünen ihr Ja zum Atomausstieg bis 2022 gegeben haben, tagten die Grünen erneut: Am vergangenen Sonnabend debattierten im einstigen DDR-Kino "Kosmos" rund 900 Parteimitglieder, Künstler, Wissenschaftler und Vertreter von Verbänden über den "Antrieb Zukunft". So nannte sich die Konferenz, zu der die Ökopartei eingeladen hatte.
Das sei kein Luxus, sagte Parteivorsitzende Claudia Roth, sondern Grundnahrungsmittel für die Partei. In verschiedenen Sälen verhandelten größere Gruppen den Umbau der Wirtschaft, die Zukunft der Kommunen und die Zukunft Europas, die Demokratie und den Umbau der Autoindustrie. Nach der Bundestagswahl 2009 hatten die Grünen beschlossen, zu diesen Themen verschiedene Foren einzurichten.
Beispiel Autoindustrie: Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, debattierte mit Winfried Kretschmann, dem neuen Grünen-Ministerpräsidenten des Autolandes Baden-Württemberg. Der erste grüne Regierungschef hatte zuletzt mit der Aussage für Aufregung gesorgt, weniger Autos seien besser als mehr. Die Branche war empört.
Wissmann ratterte am Sonnabend die Wirtschaftszahlen der Autoindustrie herunter und beschwor den Industriestandort Deutschland. Weniger Autos? Da könne Kretschmann doch sicher nur gemeint haben, dass in Großstädten öfter Carsharing-Modelle zum Einsatz kommen sollten. Alles andere wäre ein "strategischer Irrtum". Kretschmann verzog keine Miene. "Diese Aussage nehme ich nicht zurück", entgegnete er trocken. "Der Mensch hat Füße", sagte er.
Gerechtigkeit und Teilhabe
Einen Saal weiter ging es harmonischer zu, man diskutierte über Gerechtigkeit und Teilhabe. Um sich in den politischen Prozess einzubringen, müssten die Menschen erst einmal die Voraussetzungen dazu haben, befand die Runde einmütig: Verstehen, worum es geht, Zeit haben für Engagement und Zugang zu Informationen. Es gehe also erst mal um Gerechtigkeit.
Vor allem die Jung-Grünen waren zufrieden mit der Konferenz. Sie hatten immer wieder gefordert, dass die Partei mehr über den Tag hinaus denke. "Es geht nicht nur um das Hier und Jetzt", sagte die Chefin der Grünen Jugend, Gesine Agena. Die Partei müsse auch zeigen, dass sie Visionen habe. Parteiratsmitglied und Ex-Grüne-Jugend-Chef Max Löffler meinte, es mache den Reiz der Grünen aus, "Debattenort" zu sein.
Ein paar Meter weiter streifte der Alt-Grüne Christian Ströbele durch die Gänge, mit Strickpulli, Lederjacke und Leinenbeutel in der Hand. "Man darf das nicht zu sehr hochstilisieren", sagte er, "hier werden nicht die neuen Philosophien entwickelt." Aber für die Partei sei der Austausch sehr wichtig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure