■ Rentenpolitik ist immer auch Steuerpolitik: Kommunizierende Röhren
Norbert Blüm ist wahrlich ein Meister des sozialpolitischen Agitprop. „Sparen, sparen, sparen“, hämmert er seinen Appell an die Rentner, als gelte es, Vorsorge für eine Zukunft nach der Rente zu betreiben. Dabei ist die doch, gottlob, geregelt – was man von der Rente wiederum nicht sagen kann. 9,9 Milliarden Mark ist das geschätzte Minus des kommenden Jahres. Daraus macht Blüm mit seinem Maßnahmepaket zwar kein Plus, dafür aber dem Betrachter ein X für ein U vor.
Die Beiträge will er nicht erhöhen, sollen doch die Lohnnebenkosten gerade gesenkt werden. Dafür will er das Renteneintrittsalter erhöhen, das derzeit drei Jahre unter der gesetzlichen Altergrenze liege. Ja, warum hat er das nicht schon längst gemacht, das bringt doch immerhin 27 Milliarden Mark pro Jahr? Weil er dann die Frühverrentungen abschaffen müßte – die er einst selbt mit eingeführt hat. Weil dann die Beschäftigten bis zum Erreichen des Rentenalters durcharbeiten müßten. Weil dann die Betriebe entsprechend weniger Neueinstellungen vornehmen würden. Statt der Alten lägen die Jungen auf der Straße, statt der Rentenversicherung würde die Bundesanstalt für Arbeit belastet.
Soziale Sicherungssysteme funktionieren nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren. Werden auf der einen Seite Kosten gesenkt, gehen sie auf der anderen in die Höhe. Wird die Rentenanpassung minimiert, und das ist der Kern der Blümschen Vorschläge zur Vorruhestandsbeschränkung und zu den Ostrenten, steigt das Alterselend, mithin die Belastung der Sozialkassen.
Eine Entlastung des Systems brächte allenfalls – mittelfristig – eine Vergrößerung der Beschäftigtenzahl, ergo eine Reduzierung der Arbeitszeit und Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse. Ginge sie, was zu erwarten ist, mit Lohnkürzungen einher, drohte auch hier eine Rentenreduzierung. Die Frage einer Grundsicherung stellte sich auch in diesem Fall.
Um das Finanzloch zu füllen, wird neuerdings auf eine verstärkte Steuerfinanzierung der Renten abgehoben. Ökosteuerreform lautet der Königsweg der Grünen, dessen diskreter Charme allerdings darin besteht, zwar genau zu zeigen, wo er sozialpolitisch hinführt, jedoch im Vagen zu lassen, wo er seinen Ausgangspunkt nimmt. Trotz dieses Risikos führt an ihm nichts vorbei, will man nicht in einer Sackgasse verharren, an deren Ende ein Rentenminister hockt, der nur noch schreien kann: „Kürzen, kürzen, kürzen!“ Dieter Rulff
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