Kommunistin nennt System "Verarsche": Wagenknecht rechnet mit DDR ab
Früher lobte Sahra Wagenknecht die DDR und rechtfertigte sogar die Mauer. Ausgerechnet sie nimmt im sonntaz-Gespräch jetzt das System auseinander.
BERLIN taz | Vor ihrer geplanten Wahl zur Vizechefin der Linkspartei rechnet die Kommunistin Sahra Wagenknecht mit der DDR ab. "Wenn es wenigstens ein politisches Klima gegeben hätte, in dem man offen über die Probleme diskutiert hätte", sagt die Politikerin im sonntaz-Gespräch über ihr Geburtsland. "Stattdessen wurde den Leuten erzählt, dass sie alles haben. Da fühlten sie sich einfach verarscht, und damit hatten sie ja auch recht."
Die 40 Jahre alte Wagenknecht war noch im März 1989 in die SED eingetreten. 1992 hatte sie die Berliner Mauer als "notwendiges Übel" gerechtfertigt. Dazu sagte sie jetzt: "Haben Sie mit Anfang zwanzig nicht auch manchmal Sachen gesagt, die Sie heute nicht mehr gedruckt sehen wollen? Ich ging damals davon aus, dass es keine Alternative zur Mauer gab. Heute meine ich, es hätte eine geben müssen."
Wagenknecht sitzt seit Herbst im Deutschen Bundestag. Am 15. Mai soll sie als stellvertretende Vorsitzende in die Parteispitze aufrücken. Ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Plattform lässt sie bereits ruhen.
Das sonntaz-Gespräch im gesamten Wortlaut lesen Sie in der sonntaz, die am 30. April erscheint – unter anderem mit Apples iPad im Selbstversuch und einem Rückblick auf die "Freundliche Übernahme" der taz. Das alles zusammen mit der aktuellen taz ab Samstag am Kiosk.
Dass sie nach 1989 fast nur positiv über den SED-Staat geredet habe, sei eine Trotzreaktion gewesen. Sie habe die DDR allerdings nie rosarot gesehen. "Und anders als andere habe ich das auch schon zu DDR-Zeiten gesagt. Gerade weil ich wollte, dass sie sich verändert und nicht untergeht." Das ökonomische System sei allerdings überzentralisiert gewesen. Das Volk habe auch kein Einfluss auf das Volkseigentum gehabt. "Es gab einen dauernden Mangel, und da meine ich jetzt nicht Bananen. Aber man musste manchmal Kopfstände machen, um irgendwelche Ersatzteile zu kriegen."
Auf die Frage, was sie Opfern des SED-Regimes heute sage, antwortete die Politikerin: "Ich kann nicht ungeschehen machen, was ein Bautzen-Häftling erlitten hat. Ich bedaure, dass es diese Repression gab, sie steht in völligem Kontrast zu den sozialistischen Idealen."
In der sonntaz spricht Wagenknecht über ihre Jugend in der DDR, ihre Mutter, die Entwicklung der Linkspartei, über Hass gegen sie persönlich und die Rolle von Äußerlichkeiten in der Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen