Kommunalwahl in Kolumbien: Zurück zum Altbekannten
Aus der Kommunalwahl in Kolumbien gehen die alten Eliten als Gewinner hervor. Das Ergebnis ist eine Klatsche für den linken Präsidenten des Landes.
Das Bündnis des linken Präsidenten Gustavo Petro hat es in keiner der größten Städte des Landes an die Rathausspitze geschafft. Nur in zwei von 32 Regionen stellt der Pacto Histórico die Gouverneure. Weder in Regionalparlamenten noch Stadträten gewann er Mehrheiten.
Selbst in der Hauptstadt Bogotá, die als progressiver gilt, wurde Petros linker Wunschkandidat und Parteigenosse Gustavo Bolivar nur Dritter. Wohl auch, weil er wie Petro, der ja auch mal Bürgermeister von Bogotá war, das leidige Fass Metro-Variante wieder aufmachen will. Nichts erhoffen sich die staugeplagten Hauptstädterïnnen mehr, als dass endlich die beschlossenen Pläne durchgezogen werden – statt sie wieder umzuschmeißen.
Mit 59 Prozent gewann Carlos Fernando Galán von der konservativen Partei Nuevo Liberalismo. Der ehemalige Journalist ist der jüngste Sohn des Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán, den der Drogenboss Pablo Escobar ermordete.
Die versprochenen Sozialreformen in Kolumbien stocken
Kolumbiens zweitgrößte Stadt Medellín wird künftig vom rechtsgerichteten Federico „Fico“ Gutiérrez regiert. Der hatte es 2022 in der Präsidentschaftswahl nicht einmal in die Stichwahl gegen Petro geschafft. Jetzt ist er wieder Bürgermeister von Medellín, allen Skandalen zum Trotz. Zu ernüchternd war das vierjährige Intermezzo des Quereinsteigers Daniel Quintero.
Das Ergebnis gilt einerseits als Klatsche für die Regierung des ersten linken Präsidenten Kolumbiens und für sein Bündnis – oder was davon übrig ist. Die Euphorie über seine Wahl ist gut ein Jahr später bei vielen Kolumbianerïnnen abgekühlt. Der alternative Block, der ihn ins Amt brachte, ist mittlerweile zersplittert. Die versprochenen Sozialreformen stocken. Andererseits hatte Petros Bündnis keine regionale oder gar lokale Basis, sondern entstand für die Präsidentschaftswahl.
Vor allem aber zählen in Kolumbien in den Regionen Parteien weniger als alte Eliten und Familienclans. Der Clan der Familie Char, die die Hafenstadt Stadt Barranquilla und weite Teile der Karibik im Griff hat, verfügt unter anderem über Medien, den örtlichen Fußballverein, eine Supermarktkette und Verbindungen in die Verbrecherwelt. Die Wahlmaschinerie läuft buchstäblich wie geschmiert – am Sonntag gewann in Barranquilla wie immer ein Char. Stimmenkauf war ein Riesenthema. Erstmals hatte die Regierung eine Hotline eingerichtet, um Stimmenkauf zu melden.
Der Bericht der Wahlbeobachtungsmission MOE vom Wahltag war durchwachsen. Es gab keine Toten, allerdings mussten in mehreren Orten die Wahlen unter- oder gar abgebrochen werden. Anhänger verschiedener Lager gingen aufeinander oder auf das Personal und die Einrichtung der Wahllokale los, zerstörten Urnen und Stimmzettel. Die meiste Gewalt passierte vor den Wahlen. Das Forschungszentrum Cerac hat zwischen Januar und August neunzig Morde an Menschen in Kolumbien registriert, die kandidierten oder sich im Wahlkampf engagierten.
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