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Kommunalpolitikerin über Bezahlkarten„Stimmt, 50 Euro sind zu wenig“

Brandenburg führt die Bezahlkarte ein, die Landeshauptstadt Potsdam aber nicht. Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung erklärt, wie das sein kann.

So sieht die Bezahlkarte für Geflüchtete in Brandenburg aus Foto: Patrick Pleul/dpa
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Frau Meier, Brandenburg führt die Bezahlkarte ein – Potsdam aber nicht. Warum?

Brigitte Meier: Auch, wenn die Bezahlkarte dem Ministerpräsidenten ein großes Anliegen war: Politisch waren wir von Anfang an skeptisch. Vielmehr ist es Teil von Integration, dass Geflüchtete ein eigenes Konto haben und über ihr Geld selbst verfügen können.

taz: Trotzdem hat die Stadtverwaltung eine Vorlage für die Bezahlkarte eingebracht.

Meier: Ja. Aus einem einzigen Grund: Einheitliches Verwaltungshandeln ist ein Grundprinzip der Exekutive, beim Vollzug von Bundesgesetzen muss das bundesweit angestrebt werden. Wir haben die Vorlage im Herbst eingebracht, da hieß es, Ziel sei, dass alle Bundesländer flächendeckend die Bezahlkarte einheitlich umsetzen. Aber es hat sich abgezeichnet, dass wir im Stadtparlament keine politische Mehrheit dafür haben – außer mit den Stimmen der AfD, und mit deren Stimmen führe ich keine Bezahlkarte ein.

Bild: Karoline Wolf
Im Interview: Brigitte Meier

Brigitte Meier, 59, ist SPD-Politikerin und Beigeordnete für Ordnung, Sicherheit, Soziales und Gesundheit der Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam

taz: Daran ist es gescheitert?

Meier: Ja, aber zugleich hat sich gezeigt, dass diese Einheitlichkeit bundesweit nicht zu Stande kommt. Bayern hat gar nicht erst auf die bundeseinheitliche Regelung gewartet, sondern seine eigene, sehr restriktive Karte eingeführt. Der Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland hat im gleichen Sinne nachgezogen. Unser großer Nachbar Berlin schlägt einen ganz eigenen Weg sein. Warum also nicht auch wir? Darum haben wir die Vorlage zurückgezogen. Zumal ich nicht glaube, dass auch nur ein Geflüchteter weniger nach Deutschland kommt, weil es Bezahlkarten gibt.

taz: Kri­ti­ke­r*in­nen sagen, die 50 Euro in bar seien zu wenig, etwa für den Einkauf auf dem Markt oder für Schulausflüge. Und manches geht nicht ohne Überweisung.

Meier: Stimmt, 50 Euro sind meines Erachtens zu wenig. Ich war in der Landesarbeitsgruppe, die die Bezahlkarte für Brandenburg ausgearbeitet hat. Wenn sie schon kommt, wollte ich dazu beitragen, das Schlimmste zu verhindern. Es gibt jetzt eine „Black List“ und eine „White List“ für Überweisungen.

taz: Was steht da auf welcher Liste?

Meier: Möglich sind etwa Überweisungen für Sportvereine, das Deutschlandticket oder Handyverträge. Auf der Blacklist stehen Überweisungen ins Ausland, die gängigen Spielportale oder Onlinemartkplätze wie Amazon.

taz: Warum sollen Geflüchtete nicht bei Amazon einkaufen dürfen?

Meier: Das habe ich auch bis heute nicht verstanden.

taz: Die Karte soll Überweisungen an Schleuser verhindern. Ist das in Potsdam ein bekanntes Problem?

Meier: Wir überprüfen nur kursorisch, wohin die Menschen überweisen. Aber ich kann nicht sagen, dass das jemals als Problem aufgefallen ist.

taz: Wie geht es jetzt weiter?

Meier: Wir führen keine Bezahlkarte ein – außer, es kommt doch noch eine Weisung des Landes, wie in anderen Bundesländern auch. Die haben wir bei der Landesregierung angemahnt.

taz: Sie wollen, dass das Land Sie anweist, die Karte einzuführen – obwohl Sie sie inhaltlich ablehnen?

Meier: Unser Oberbürgermeister Mike Schubert ist im Präsidium des deutschen Städtetags, der solche Weisungen klar gefordert hat – eben wegen des einheitlichen Verwaltungshandelns. Wenn es der politische Wille der Länder ist, ein solche Bezahlkarte einzuführen, dann muss der Grundsatz eines möglichen einheitlichen Verwaltungshandeln beim Vollzug eines Bundesgesetzes eingehalten werden. Meines Erachtens aber dann möglichst so liberal, dass sie auch Bestand hat. Zuletzt wurden einige Einschränkungen zumindest für bestimmte Gruppen ja vor verschiedenen Gerichten gekippt.

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1 Kommentar

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  • Wir wollen nicht, aber verorten es nach oben. Typisch Verwaltung - bitte entscheide jemand anders, weil im Verwaltungsakt sind Paragraphen und hier gibt es keine.

    Nun verortet man die Themen nach oben und am Ende bekommt man einen überregulierten Dschungel zurück, den man aber nicht möchte. Einerseits wegen der Regulierung und das Thema im Grundsatz nicht.

    Wann wurden unsere Beamten dazu angehalten zu reinen Befehlsempfängern zu mutieren?

    Es ist doch langsam schade, wenn jede Neuerung und erstmal wo anders entschieden werden soll - von den gleichen Berufsstand, welcher hofft, es auf einen anderen Schreibtisch zu schieben.