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Kommunale KlimapolitikDatteln will das Kraftwerk retten

Nach dem rechtskräftigen Urteil gegen das Eon-Projekt soll nun ein neuer Bebauungsplan her. Grüne und Linkspartei warnten vor "nachträglicher Legalisierung eines Schwarzbaus".

Die Baustelle des Dattelner Eon-Kraftwerks am Donnerstag, 18.03.2010. Bild: dpa

KÖLN taz | Die Stadt Datteln setzt unverdrossen auf das umstrittene Eon-Steinkohlekraftwerk. Mit 23 zu 16 Stimmen gab der Stadtrat in geheimer Abstimmung am Mittwochabend grünes Licht für ein neues Bebauungsplanverfahren, mit dem das 1,2 Milliarden Euro teure Projekt am Dortmund-Ems-Kanal vor dem Aus bewahrt werden soll. Auf der Sitzung in der vollbesetzten Dattelner Stadthalle warnten Grüne und Linkspartei vergeblich vor einer "nachträglichen Legalisierung eines Schwarzbaus", wie es Grünen-Fraktionschef Theodor Beckmann formulierte.

Der aktuelle Bebauungsplan für das im Rohbau schon fertiggestellte 1.055-Megawatt-Kraftwerk "Datteln 4" war wegen Gesetzesverstößen gerichtlich außer Kraft gesetzt worden. Rund 90 Mängel hatte das Oberverwaltungsgericht Münster festgestellt. Die Liste reicht von der falschen Gebietsausweisung über Verstöße zum Sicherheitsabstand zur Wohnbebauung bis zur mangelhaften Prüfung von Auswirkungen auf den Naturschutz. Am Dienstag wurde das OVG-Urteil vom September 2009 durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig rechtskräftig.

Ob das neue Verfahren nun tatsächlich durchgezogen wird, wird der Dattelner Rat voraussichtlich im April entscheiden. Es gilt als fraglich, ob das Projekt durch politische Beschlüsse noch gerettet werden kann.

Sowohl der Eon-Konzern als auch Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) begrüßten gleichwohl den Einleitungsbeschluss. Er sei ein "wichtiges Signal für den Industriestandort NRW und die Verlässlichkeit der Politik gegenüber Investoren", sagte Thoben. Zustimmung kam auch vom DGB. Er hoffe, "dass nicht weitere Klagen den Bebauungsplan behindern, weil dieses Kraftwerk für NRW von großer industriepolitischer Bedeutung ist", sagte DGB-Landeschef Guntram Schneider.

Um das Kraftwerk doch noch möglich zu machen, müssen unter anderem Landespläne, Regionalplan und Bebauungsplan angepasst werden. So hat die schwarz-gelbe Landesregierung bereits im Februar beschlossen, den Klimaschutz aus dem Landesentwicklungsplan zu streichen. Im Herbst soll der Landtag darüber befinden.

Umweltverbände, Grüne und Linkspartei werfen der Landesregierung vor, Recht und Gesetz nachträglich an die Interessen des Eon-Konzerns anzupassen. Sie fordern die sofortige Beendigung des Kraftwerkprojekts.

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5 Kommentare

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  • T
    Thomas

    @thiorix, 46% Wirkungsgrad bedeutet, dass 54% der eingesetzten Energie verloren gehen. Mit zukünftiger CO2-Abscheidung wären es dann sogar 64% Verlust. Und da ist der Energieverbrauch der Kohlegewinnung und ihres Transportes von Südafrika nach Datteln noch nicht reingerechnet.

    Wenn man auf der Halde von Brambauer steht, kann man drei große Kohlekraftwerke mit einem Blick erfassen. Da drängt sich die Frage nach der Notwendigkeit auf.

  • J
    Johannes

    Strom ist zum Wirtschaftsgut geworden, es geht ums Geldverdienen! Das finanzielle Potential scheint dem Rwe-Konzern Einflussnahme auf die Politik zu ermöglichen (Ein Politiker im Aufsichtsrat enspricht einem Haushund: "Die Hand, die mich füttert, beiße ich nicht, und halte Böses von meinem Herrchen fern). Recht fügt sich dem Geld, und Parteienwirtschaft sorgt für den Rest!

  • T
    tricktrack

    90 Verstöße gegen geltendes Recht nennen Sie frei übersetzt rechtsstaatlich einwandfrei? Einige hundert Arbeitsplätze nach Fertigstellung? Wo und wie haben Sie die gezählt? Kohle als zukunftsorientierter Energieträger? Und apropos China: Kommt von da nicht auch ein Teil der Kohle her, um dieses Monster zu befeuern? Fließt das eigentlich in die Energiebilanz dieser Umweltsünde ein?

  • N
    Nikel

    Nachdem ich das Info-Center in Datteln besucht habe und von kompetenten Fachleuten Auskunft erhalten habe, stelle ich die Frage: Haben sich Gegner der Anlage auch hier informiert, oder geht es nur nach dem Motto - Wir sind dafür daß wir dagegen sind? Für mich nicht nachvollziehbar.

     

    heni

  • T
    thiotrix

    Mutige Entscheidung des Dattelner Stadtrates!

     

    Der Bau des Kraftwerks wurde nach rechtsstaatlichen Prinzipien beantragt und genehmigt. Wer also von einem „Schwarzbau“ spricht, demonstriert vor allem seine eigene Ahnungslosigkeit. Leider gibt es in unserem Land eine so unglaubliche Vielzahl von Gesetzten, Richtlinien Vorschriften und ähnliches, daß praktisch jedes größere Bauvorhaben mit Hilfe von juristischen Haarspaltereien gestoppt werden kann (einzige Ausnahme: die ebenso häßlichen wie ineffizienten Windmühlen, die sogar in Landschaftsschutzgebieten errichtet werden dürfen). Nur mit solchen juristischen Tricks und im Zusammenspiel mit inkompetenten Richtern konnte so ein Schwachsinnsurteil gefällt werden, daß 1600 Arbeitsplätze auf der Baustelle und einige hundert Dauerarbeitsplätze vernichtet. Selbst wenn der Kraftwerksbau irgendwann weitergeht, fallen in jedem Monat des Baustopps Millionenkosten an und ebenso fallen Millionen Euro Steueraufkommen aus den Gewinnen bzw. der Gewerbesteuer des Kraftwerkes aus. So fahrlässig gehen Politik und Justiz mit Geld um – kein Wunder, daß unser Land unter einem Schuldenberg von 1,7 Billionen Euro ächzt!

    Und wenn das Argument „Klimaschutz“ ins Spiel kommt, möchte ich am liebsten schreien vor Wut über so viel Dummheit: das Kraftwerk in Datteln hat einen Wirkungsgrad von ca. 46%, mehr als fast alle anderen Kohlekraftwerke in Europa und weltweit! Ob es ans Netz geht oder nicht oder in China fällt der berühmte Sack Reis um- der Effekt ist ungefähr der gleiche! Apropos China – im Jahre 2006 gingen dort alle 2,1 Tage ein neues Kohlekraftwerk mit 500 MW ans Netz, ans Netz, 2007 nur noch alle 2, 7 Tage und gegenwärtig jede Woche ein neues Kohlekraftwerk. Innerhalb der nächsten 20 Jahre wird China seine CO2-Emissionen von 5 Milliarden t CO2 (gegenwärtig größter CO2-Sünder der Welt!) noch einmal verdoppeln!

    PS. Sogar der DGB zeigt einen Hauch von wirtschaftspolitischem Sachverstand, wenn er darauf hinweist, daß „dieses Kraftwerk für NRW von großer industriepolitischer Bedeutung ist“. Toll, soviel Einsicht in Gewerkschafter-Hirnen – bitte mehr davon!