"Kommissarin Lund" auf Arte: Clint Eastwood im Wollpullover

"Kommissarin Lund" als "The Killing" ist ein internationaler Sensationserfolg. Besonders die Briten lieben die Serie, die gänzlich ohne Genreklischees auskommt.

Taugt nicht als weibliches Rollenmodell: Sarah Lund. Bild: Tina Harden/DR ZDF

Fernsehen ist schon so sehr zum Sekundärmedium geworden, dass man es glatt verpassen kann, wenn die Lieblingsserie endlich wieder läuft. Nicht nur an mir ist völlig vorbeigegangen, dass das ZDF bereits im letzten Jahr die zweite Staffel von "Kommissarin Lund" gesendet hat. Zum Glück kann man jetzt versäumten Stoff nachholen, denn auf Arte wird die Staffel an den Dienstagabenden unter dem Titel "The Killing II" gezeigt.

Das führt etwas irre, denn "The Killing" ist auch der Titel des amerikanischen Remakes (hierzulande noch nicht zu sehen). Für jenes hat man die Handlung nach Seattle verlegt, die Heldin in deutlich weiter geschnittene Wollpullover gesteckt, als die Schauspielerin Sofie Gråbøl sie im dänischen Original trägt, und sich eine scheußlich vordergründige Hintergrundmusik dazu ausgedacht - wenn man der Kritikerin des britischen Guardian glauben darf, die das schrieb.

In diesem Frühjahr lief die erste Staffel auf BBC4 und schlug ein wie eine Bombe. Zwar erreichte sie nicht dieselben Massen wie in Dänemark (wo sie von sensationellen 2 Millionen von 5,5 Millionen EinwohnerInnen verfolgt worden war), doch dass eine Serie aus einem kleinen nordischen Land fast dieselben Einschaltquoten erreichte wie etwa die HBO-Produktion "The Wire", ist allerhand, zumal man sie auf Dänisch mit Untertiteln zeigte.

Sarah Lund ist die geniale Außenseiterin

Was hat Kommissarin Lund, das andere Serien nicht haben? Sie kommt gänzlich ohne Genreklischees aus. Die Drehbücher von Søren Sveistrup leben von einer feinkörnigen, sensiblen Figurenzeichnung und -führung, die eher den Regeln des Dramas gehorcht. Wir sehen irritierend realen Personen zu, deren Handlungen oft unverständlich und deren Beziehungen untereinander das größte Rätsel überhaupt sind. Wie im richtigen Leben, nur dass wir auf sicherer Zuschauerseite stehen und lediglich beobachtend teilnehmen an dem blutigen Schauspiel.

Und Sarah Lund, diese geniale Außenseiterin, ist so soziopathisch angelegt, dass sie als weibliches Rollenmodell nicht wirklich taugt und somit einen unglaublich wohltuenden Kontrast bildet zu jenen Legionen von TV-Kommissarinnen, die heroisch versuchen, neben der Ermittlungsarbeit noch ein Familienleben zu führen. Während der ersten Staffel gab es Pläne, Lund eine Affäre mit dem charismatischen Lokalpolitiker Troels Hartmann anzudichten. Da legte Sofie Gråbøl, die intensiv an der Ausgestaltung ihrer Figur mitgearbeitet hatte, energisch ihr Veto ein, wie sie einem der vielen Guardian-Autoren erzählte, die sie besuchten. "Ich bin Clint Eastwood!", habe sie gesagt. "Clint Eastwood hat keine Freundin!"

Beim Guardian hat man nicht nur das Reisebudget für zahllose Kopenhagen-Trips geplündert, sondern schreckt auch nicht davor zurück, Detailfragen ausführlich zu diskutieren. Sogar der Strickpullover, den Sarah Lund während der ersten Staffel (also zehn Tage lang) ununterbrochen trägt, ist einen eigenen Artikel wert. Er stammt von einem kleinen Label, das auf den Färöer-Inseln beheimatet ist, kostet 280 Euro und besitzt offenbar Selbstheilungskräfte. Denn nachdem er bei einer Messerattacke zerschlitzt wurde, erscheint Lund am nächsten Tag in demselben, aber völlig unversehrten Kleidungsstück, als sei nichts geschehen. Für die zweite Staffel ist einem solchen Continuity-Fehler durch die Anschaffung einiger neuer Pullis vorgebeugt worden. Aber worauf weist es nun hin, dass Lund auf einmal jeden zweiten Tag einen anderen trägt? Zeigt sich darin etwa verräterische weibliche Eitelkeit?

Dienstags, Arte, 22 Uhr

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