Kommentar: Die besten Ausbeuter

Telekom hat gegenüber der Gewerkschaft Ver.di lediglich Placebo-Zugeständnisse gemacht. In der Telekom-Branche werden Flächentarifverträge exemplarisch ausgehebelt

Ver.di hat den wochenlangen Tarifstreit mit der Telekom verloren. Da ist das Votum der Börse eindeutig: Der Kurs der T-Aktie stieg sofort, als die Einigung bekannt wurde. Allerdings ist das Ergebnis so kompliziert, dass es der Dienstleistungsgewerkschaft gelingen dürfte, ihre Niederlage ein wenig zu kaschieren. Zu diesen Placebo-Zugeständnissen der Telekom gehören der Kündigungsschutz bis 2012 und das Verkaufsverbot für die Service-Gesellschaften bis 2010. Aber in nackten Zahlen ausgedrückt, hat die Telekom ihr Ziel erreicht: Mittelfristig wird sie mindestens 500 Millionen Euro jährlich bei den Personalkosten einsparen. Es können auch 900 Millionen sein.

Bisher gehörte ein Telekom-Techniker mit Berufserfahrung zu den deutschen Durchschnittsverdienern. Das ist nun vorbei. In der gesamten Branche dürfte sich die Lohnspirale weiter nach unten drehen, denn es wäre erstaunlich, wenn nicht auch die Telekom-Konkurrenten auf die Idee verfallen würden, ihre Gewinne zu maximieren, indem sie die Gehälter ihrer Angestellten minimieren.

Die Telekom-Branche führt exemplarisch vor, was passiert, wenn Flächentarifverträge fehlen und durch ein Gewirr von Haustarifen ersetzt werden. Die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften sind zu schwach, um zu verhindern, dass die Firmen den Begriff der Konkurrenz neu definieren: Der Kampf wird nicht mehr allein durch das beste Produkt entschieden; stattdessen siegt, wer seine Mitarbeiter am besten ausbeutet.

Und nun? Zu schlicht wäre es, einfach bei den Unternehmen oder bei Ver.di die Schuld abzuladen. Als wären die einen böse Kapitalisten und die anderen zu dumm, ihre Mitglieder anständig zu vertreten. Leider ist es komplizierter. Es wird erst einen einheitlichen Flächentarifvertrag geben können, wenn eine deutliche Mehrheit aller Beschäftigten der Telekom-Branche einsieht, dass sie sich dringend organisieren müssen. Vom Call-Center bis zum Techniker - und das in allen Betrieben. Nur dann wird das Spiel enden, dass die Beschäftigten der einzelnen Firmen gegeneinander ausgespielt werden. Wer eine Lobby will, muss zum Lobbyisten werden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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