Kommentar: Keine Bomben-Stimmung
Die Symbolik des Selbstmordattentäters und der Autobombe vermag in etablierten, zivilen Gesellschaften keine Wucht zu entfalten
W ie sich die Bilder gleichen: Ein Selbstmordattentäter rast mit seinem Auto in ein Gebäude, um möglichst viele Menschen mit in den Tot zu nehmen. Fast täglich gibt es solche Nachrichten aus der irakischen Hauptstadt Bagdad. Die Nachrichtenagenturen schreiben meist nur lapidar, es habe "wieder Dutzende Todesopfer" gegeben. Nun ist ein solches Attentat auch am Flughafen von Glasgow versucht worden - und zum Glück gescheitert.
Trotz ähnlicher Dramaturgie: Bilder und Symbole wirken immer abhängig von ihrem Kontext. Die Anschläge im Irak stehen symbolhaft für einen zerfallenen Staat, dessen Regierung nicht in der Lage ist, die Sicherheit seiner Bewohner zu garantieren. Die Anschläge dort beweisen der ganzen Welt, dass im Irak nur Chaos und Gewalt regieren, nichts und niemand sonst.
Wer auch immer hinter den Anschlagsversuchen in Großbritannien steckt - diese Botschaft haben sie nicht nach Europa transportieren können. Der Alltag der Einwohner des Vereinigten Königreichs ist nicht erschüttert. Die Menschen dort haben sich auch nach den Anschlägen vor zwei Jahren als ausgesprochen resistent gegenüber der gewünschten Hysterie erwiesen. Da von "britischer Coolness" zu sprechen, greift allerdings zu kurz. Auch die spanische Bevölkerung ist nach den Anschlägen vom 11. März 2004 nicht in kollektive Panik oder Depression ausgebrochen, genauso wenig wie die deutsche angesichts immer wiederkehrender Terrorwarnungen. Die Symbolik des Selbstmordattentäters und der Autobombe vermag in etablierten, zivilen Gesellschaften keine Wucht zu entfalten.
Die Bevölkerung weiß, dass verrückte Verbrecher Anschläge auf ihre Bahnhöfe, Flughäfen oder U-Bahnen planen - und ihre Pläne nicht immer durchkreuzt werden können. Und dass Innenminister oder Regierungschefs nur ihren Job tun, wenn sie mit Sicherheitsrhetorik von "Onlinedurchsuchungen" und "Vorratsdatenspeicherung" suggerieren, mit mehr Rechten für Poli- zei und Staatsanwaltschaften könnten sie des Terrors Herr werden. Ihr Treiben benötigt ein aufmerksames Publikum. Ansonsten heißt es auch in Zeiten von Autobomben weiter: gelassen bleiben.
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