Kommentar: Zentralbank als Standortnachteil
Frankreichs Präsident Sarkozy weigert sich auf Biegen und Brechen im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen - zu Recht.
M it seiner Weigerung, dem Spargelübde seiner europäischen Kollegen zu folgen und auf Biegen und Brechen im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hat Nicolas Sarkozy recht. Mehr noch: er stellt die einseitige Festlegung der Europäische Zentralbank (EZB) als Hüter der Preisstabilität in Frage und fordert, sie müsse auch das Wachstum und die Beschäftigung im Auge behalten.
Die Zentralbank kann sich auf ihr Statut berufen, das sie ausschließlich zur Bekämpfung der Inflation verpflichtet: eine falsche und schädliche Festlegung, die die europäischen Finanzminister zu verantworten haben. Denn wer nur die Inflation bekämpft, der handelt nach Ansicht vieler Ökonomen immer zu Lasten der Beschäftigung.
Mit ihrem Beharren auf Preisstabilität hat die EZB in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, in der Eurozone hunderttausende Jobs zu vernichten und die öffentlichen Haushalte an den Rand des Ruins zu treiben. Ihre einseitige Inflationsbekämpfung ist ein Ausdruck dafür, vor allem die Interessen der Kapitalbesitzer zu schützen, denen sich das Wohl der Beschäftigten unterordnen muss. Die Bänker um EZB-Chef Jean Claude Trichet sind fest davon überzeugt, dass Zinspolitik und Wirtschaftswachstum langfristig nichts miteinander zu tun haben. Dass dem nicht so ist, führen die USA, China, Japan und Großbritannien schon lange vor. Sie wissen, dass sie mit niedrigen Zinsen ihrer Wirtschaft helfen können. Selbst in den USA ist die Notenbank explizit dem Wirtschaftswachstum verpflichtet, und sie hat dieses seit den Neunzigerjahren mit niedrigen Zinsen spürbar gefördert.
Die neuen Schulden auf null zu senken, ist nur sinnvoll, wenn die Konjunktur gut läuft. Mehr als diese ökonomische Binsenweisheit hat Sarkozy bislang eigentlich nicht von sich gegeben. Dass er nun von seinen europäischen Kollegen dafür angefeindet wird, als wolle er den Sozialismus einführen, macht vor allem eines deutlich: Es ist höchste Zeit, die Zentralbank auf eine neue Grundlage zu stellen. Zu ihren Zielen sollte nicht nur eine niedrige Inflationsrate gehören. Sondern auch eine möglichst hohe Beschäftigung.
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