Kommentar: Den Leitsatz umgedreht

Wirtschaftlichkeit war den Manager von Vattenfall wichtiger als Sicherheit. Wer so mit Mensch und Material umgeht, dem sollte die Betriebsgenehmigung entzogen werden.

Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit: So lautet ein alter Leitsatz von Kraftwerkstechnikern. Damit wollen die Ingenieure ausdrücken, dass der sichere Betrieb einer Anlage oberste Priorität besitzt. Das trifft natürlich besonders dann zu, wenn - wie bei Atomkraftwerken - die Technik selbst als Risikotechnologie bezeichnet werden muss. Das heißt: Zwar hat nicht jede Unregelmäßigkeit in einem Atomkraftwerk, nicht jede Panne gleich extreme Auswirkung. Es gibt aber Unregelmäßigkeiten oder Pannen, die im Extremfall zu Extremereignissen führen können. Deshalb ist das Vertrauen in die Sicherheit so wichtig.

Dumm nur, wenn dann an der Spitze einer solchen Anlage Manager sitzen, denen dieser Leitsatz nicht als oberstes Gebot gilt. Bruno Thomauske, der Chef der Vattenfall Nuclear Energy GmbH, dürfte ohnehin gerade ganz andere Sorgen haben. Mit den AKW Krümmel und Brunsbüttel sind Vattenfall gleich zwei große Stromproduzenten ausgefallen, die im Betriebsfall zusammen fast die Hälfte des schleswig-holsteinischen Bedarfs decken. In den Zeiten des liberalisierten Strommarktes bedeutet der Ausfall einer solchen Kapazität tägliche Millionenverluste. Um die Kunden trotzdem beliefern zu können, muss sich Vattenfall den benötigten Strom auf dem freien Markt von den Konkurrenten einkaufen. Und wegen des entstandenen Engpasses verdoppelte sich der Preis. Vattenfall macht so die Konkurrenten reich.

Logisch, dass der Manager alles daran setzte, den Schaden zu begrenzen und wenigstens ein AKW wieder ans Netz zu bringen. Brunsbüttel wurde am 1. Juli wieder angefahren. Die nicht abreißenden Meldungen über Unregelmäßigkeiten und Pannen legen nahe, dass das Vattenfall-Management kurzerhand den Leitsatz umgedreht hat: Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit. Damit hat die Konzernleitung grob fahrlässig gegen den eigenen Sicherheitskodex verstoßen. Egal wie das juristische Tauziehen um die Betriebsgenehmigung auch ausfallen mag: Wer aus Gewinnabsicht derart risikobereit mit Mensch und Material umgeht, verdient nicht das Vertrauen einer Gesellschaft. Schon deshalb muss Vattenfall die Betriebsgenehmigung entzogen werden.

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Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

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