Kommentar: Wie man Verantwortung übernimmt
Die Erzdiözese Los Angeles zahlt an Missbrauchsopfer durch Priester. Das ist nicht genug - die Opfer bleiben allein gelassen.
S tolze 573 Millionen Euro will die Erzdiözese Los Angeles insgesamt den Opfern sexueller Missbrauchsfälle zahlen: eine astronomische Summe. Da fragt man sich nur, wie es sein kann, dass bislang dennoch kein Einziger der Priester oder in der Diözesanverwaltung zur Verantwortung gezogen wurde. Es ist eine Anerkennung eigener Schuld, ohne Schuldige zu benennen. Zurück bleiben hunderte von Opfern, die zwar finanziell entschädigt, aber doch allein gelassen werden.
Adrienne Woltersdorf, 40, berichtet seit 2005 für die taz aus Washington. Faszinierend an den USA findet sie, dass sich alle Vorurteile bestätigen lassen - und zugleich widerlegen.
Los Angeles ist kein Einzelfall. Auch in anderen US-Diözesen haben die jeweiligen Kirchenoberen auf Missbrauchs-Klagen mit der immer gleichen Salami-Taktik reagiert: scheibchenweise Zugeständnisse sowie legale, aber trickreiche Insolvenzverfahren, um den Zahlungsverpflichtungen zu entgehen - und am Ende schließlich außergerichtliche Einigungen, von dürftigen Entschuldigungen begleitet, die in manchen Fällen sogar erst vom Insolvenzrichter angeordnet werden mussten.
Mit Los Angeles meint die US-Kirche nun die dunklen Jahre des seit 2002 währenden Skandals ad acta legen zu können. Und es deutet vieles darauf hin, dass die US-Bischöfe mit ihrer Strategie Erfolg haben. Doch weitere Skandale in anderen US-Kirchen dürften folgen. US-Versicherungen wollen Daten haben, dass sich ein ebenso großer Prozentsatz von Missbrauchsopfern in der protestantischen Kirche regt.
Dass die Kirche kein Hort höherer Moral ist, lehrt schon ein Blick in die Geschichtsbücher. Und das Pfarrer und Priester das in sie gesetzte Vertrauen für ihre sexuellen Bedürfnisse ausbeuten, dieses Problem ist so alt wie die Kirche selbst. Die wird allerdings stets nur so fortschrittlich und selbstkritisch sein, wie ihre Mitglieder es wünschen.
Der Skandal hat die katholische Kirche der USA einer harten Belastungsprobe unterzogen: Tausende von Gläubigen haben ihr den Rücken gekehrt. Aber Millionen sind auch geblieben. Es ist die weit verbreitete Prüderie und Bigotterie in der amerikanischen Gesellschaft, die für ein Klima mangelnder Transparenz und Aufklärung sorgt, wenn es um Dinge wie Kindesmissbrauch, Abtreibungen oder Homosexualität geht.
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