Kommentar: Rangelnde Schwestern
Der Stellenabbau bei den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe wird vor allem das Nachrichtenniveau senken.
1 80 Stellen werden bei den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe abgebaut. In Zeiten, wo sich Städte vor Jubel nicht mehr einkriegen, weil sie ganze 30 Medienjobs mit reichlich Förderkohle an Land gezogen haben, keine ganz kleine Zahl.
Steffen Grimberg, 39, ist Medien-Redakteur der taz.
Doch die wahre Umstrukturierung der Fernsehfamilie steht erst noch bevor. ProSieben und Sat.1 sind sich immer noch zu ähnlich, um in einem Konzern neben einander her zu senden: Beide machen Comedy, beide setzen auf Boulvard, bei beiden wird getalkt. Die Senderfamilie hat - anders als beim Hauptkonkurrenten RTL - kein klares Oberhaupt, sondern mit Sat.1 und ProSieben zwei um die Spitze rangelnde Schwestern. Die außerdem beide mit Akzeptanzschwierigkeiten in der angeblich allein werberelevanten Zielgruppe der 14 bis 49-Jährigen zu kämpfen haben.
Bei beiden spielen Nachrichten nur eine höchst untergeordnete Rolle. Das war bei ProSieben schon immer so - und Sat.1 fällt ab sofort auch wieder ins alte Muster zurück. Dabei hatte der Sender einst mit Erich Böhmes "Talk im Turm" gezeigt, dass TV-Politik und Privatfernsehen alles andere als Gegensätze sein müssen.
Prompt ist im Senderumfeld zu hören: "Dann wären wir doch besser an Springer gegangen". Denn die Axel-Springer AG, der das Kartellamt 2006 den Kauf von ProSiebenSat.1 aus Wettbewerbsgründen untersagt hatte, wäre mit dem Bereich TV-Nachrichten wohl pfleglicher umgegangen, lautet das Argument aus Betriebsratkreisen. Auf den ersten Blick scheint das sogar stimmig. Doch der Preis - ein Quantensprung in Sachen Medienkonzentration - wäre zu hoch.
Ein vernünftiges Maß an Nachrichten und Info-Niveau bei Privatsendern ließe sich auf eine ganz andere Weise sicherstellen: Über die Sendelizenzen, die eigentlich Mindeststandards fürs Programm verbindlich festschreiben. Anders als in Großbritannien, wo die werbefinanzierten Privatsender ITV und Channel Four mit der BBC um die Spitzenposition in Sachen Nachrichten konkurrieren, interessiert das die zuständigen Medienkontrolleure und die Medienpolitik herzlich wenig. Bestes Beispiel dafür ist mal wieder Markus Söder. Der CSU-General verdammte heute das Sparkonzert bei ProSiebenSat.1. Doch dem Medienpolitiker Söder ging es natürlich nicht um gestrichene Nachrichtensendungen. Sondern um den "Medienstandort Deutschland".
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