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KommentarKarsais gefährliche Widersprüche

Kommentar von Thomas Ruttig

Die USA verhindern eine Debatte über die Afghanistan-Strategie.

D ie Sicherheitssituation in Afghanistan hat sich in den letzten zwei Jahren definitiv verschlechtert, hatte Hamid Karsai in Kabul gesagt, bevor er am Wochenende das Flugzeug nach Camp David bestieg, um seinen Amtskollegen und Hauptsponsor George Bush zu besuchen. Zwei Tage später, bei der gemeinsamen Pressekonferenz, hörte sich Afghanistans Präsident schon ganz anders an: Die Taliban als "geschlagene Kraft" könnten seine Regierung "nicht länger gefährden".

Nun sind die Afghanen gewöhnt, von ihrem Staatsoberhaupt Widersprüchlichkeiten zu den verschiedensten Themen zu vernehmen. Aber hinter Karsais gewandeltem Tonfall steckt etwas anderes: das Bemühen Washingtons, aus dem afghanischen Steinbruch jene good news zu extrahieren, die der irakische Sumpf schon längst nicht mehr hergibt. "Afghanistan als Nation ist in einer viel besseren Position als je zuvor", so der für die Region zuständige Außenstaatssekretär Richard Boucher. Nie zuvor war Washington weiter von der afghanischen Realität entfernt. Anstatt Karsais Signal - die Situation ist dramatisch, wir müssen etwas tun - aufzunehmen, lautet die Parole also: alles halb so schlimm, weiter wie bisher.

In diese Tendenz ordnet sich auch die strikte Weigerung ein, gefangene Taliban gegen Geiseln auszutauschen, direkte Gespräche mit Taliban abzulehnen und selbst lokale Abmachungen mit Stammesführern nicht zuzulassen, die lokale Gruppen von Aufständigen wenigstens zu einer örtlichen Beruhigung der Lage überreden könnten. Im klassischen Westernschema von Gut und Böse wird die "andere Seite" dämonisiert und zum Abschuss freigegeben. Gleichzeitig übersieht Washington, dass die korrupten Teile der Karsai-Administration genauso zum Problem gehören wie Lehrer und Entwicklungshelfer mordende Taliban.

Wenn Karsai - wie jetzt gerade - gezwungen wird, öffentlich der Parteilinie Washingtons zu folgen, blockiert das jegliche Diskussion über einen Strategiewechsel in Afghanistan. Nur der aber könnte ein Scheitern des internationalen Einsatzes dort noch verhindern.

Der Autor ist Gastwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin

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