Kommentar: Ein unerträglicher Vorgang
Rechte vertreiben einen türkischen Imbiss-Händler aus dem Lichtenberger Weitlingkiez. Politik und Polizei fehlen die notwendigen Konzepte
Zu dem dumpfen Programm der Neonazis gehört es, in ostdeutschen Bundesländern "national befreite Zonen" zu schaffen. Sie wollen die Menschen verjagen, die nicht in ihr krudes Weltbild passen, mit Pöbeleien, mit Drohungen, mit Gewalt. Mitten in Berlin haben die Rechten ihr Konzept ansatzweise verwirklicht: Ein Dönerimbissbesitzer gibt sein Geschäft auf, weil er nach mehreren Übergriffen um sein Leben fürchtet. Das allein ist ein unerträglicher Vorgang.
Die Rechtsextremen haben dem betroffenen Mann persönliches Leid angetan, dem Rechtsstaat aber eine vernichtende Niederlage beigebracht: Er hat es nicht geschafft, seinen Bürger zu schützen - obwohl die Probleme des Weitlingkiezes seit langem öffentlich sind, die Tatverdächtigen bekannt waren - Besucher einer nahe gelegenen Kneipe - und die Politik es an Solidaritätsbekundungen nicht fehlen ließ. Zudem erheben die Rechtsanwältin des Betroffenen und ein Linkspartei-Parlamentarier den schweren Vorwurf, die Polizei habe sich nicht für den politischen Hintergrund der Täter interessiert, als sie den Fall zu den Akten nahm. Sollte sich dies bestätigen, muss Lichtenberg einen Skandal bewältigen.
Natürlich kann nicht vor jedem Dönerladen ein Streifenwagen parken, auch kann man der von der Linken dominierten Bezirksregierung kaum vorwerfen, rechte Tendenzen zu ignorieren. Aber das Beispiel des Resit Özer, der nun verständlicherweise das Feld räumt, wirft Fragen auf. Warum fühlen sich die Rechten im Weitlingkiez so sicher? Warum ist der Verfolgungsdruck so gering, dass sie ohne Angst vor Strafe immer wieder zuschlagen? Wenn die Polizei einen Migranten nicht schützen kann, wie kann sie dann all den anderen Sicherheit im Kiez garantieren? Polizei und Bezirkschefin tun gut daran, schleunigst Antworten zu liefern - und im Zweifel ihre Taktik gegen rechts zu korrigieren. Das sind sie nicht nur Resit Özer schuldig, sondern uns allen.
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