piwik no script img

KommentarWowereit hat eine neue Bühne

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Zwölf Experten werben auf dem "Berlin Board" für die Hauptstadt. Es könnte vor allem eine weitere Bühne für Klaus Wowereit werden.

Klaus Wowereit macht Berlin zur Marke Bild: ap

M an muss sie nicht alle mögen, die zwölf Experten, die Klaus Wowereit hat einspannen können: FAZ-Herausgeber und "Methusalem-Komplex"-Erfinder Frank Schirrmacher beispielsweise. Oder Mathias Döpfner, den Chef der Axel Springer AG. Aber diese und weitere Größen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Stadtentwicklung und Kultur haben jede Menge Einfluss. Dass der Regierende sie hat gewinnen können, sagt viel über die Entwicklungschancen Berlins - und Wowereits.

Die zwei Frauen und zehn Männer des neuen "BerlinBoard" demonstrieren mit ihrer Teilnahme, dass sie Berlin ein gewaltiges Potenzial zuschreiben. Als Ziel für noch mehr als die derzeit 17 Millionen Touristen pro Jahr. Als Ort, an dem Künstler und Wissenschaftler international konkurrenzfähige Arbeits- und Lebensbedingungen vorfinden.

Dass weder die IHK zum Zwölferrat gehört noch die Handwerkskammer, offenbart zweierlei. Hier geht es nicht um kleine und mittlere Unternehmen, die vor allem in der Region arbeiten. Der Senat sieht die wirtschaftliche Zukunft Berlins als Kultur-, Tourismus- und Wissenschafts-Metropole. Dabei scheint der am großen Ganzen interessierte Wowereit jedoch zu vergessen, dass ohne Hotels, Restaurants und Geschäfte kein Touristenmagnet funktioniert. Kleine und mittlere Unternehmen zu brüskieren, bringt nichts.

Zum anderen offenbart die hochkarätige Zusammensetzung des Expertengremiums den ungeminderten Ehrgeiz des Regierenden. Nach vielen Monaten unverhüllter Lustlosigkeit demonstriert Wowereit, dass er seine Karriere nicht im Roten Rathaus beenden will. Und seine Chancen auf eine Karriere im Bund steigen wieder: Berlins Haushalt ist ausgeglichen, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Koalition mit der Linken ist stabil, und der SPD-Vorsitzende und Konkurrent Kurt Beck schwächelt.

Das "Berlin Board" könnte so zur weiteren Bühne für Wowereits Politambitionen werden. Mit Gewinn für die Hauptstadt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!