Kommentar: Mächtige Schadenfreude
US-Senator Larry Craig, Kämpfer gegen Schwule, wurde bei Sexanbahnung mit einem Kerl ertappt: Karriere im Arsch! Applaus! Denn: Die Pharisäer stolpern über sich selbst.
E ine Plage sind sie, diese Männer (und Frauen), die einen auf gute, seitensprungfreie Familie machen, Kinder tätscheln, alte Menschen wahlkämpfend betüteln - und öffentlich keine anderen Sorgen zu haben scheinen, als überlaut, ja dröhnend gegen die Homoehe zu schäumen. In Europa gibt es sie oft unter vatikanischem Patronat, auch unter Konservativen, in den USA findet man sie sogar in allerhöchsten Ämtern. So einen wie der US-Senator Larry Craig eben. Immer wie aus dem Ei gepellt gekleidet, eine gebügelte Aura insgesamt ist ihm zu attestieren.
Und dann das! Im Juni wurde er dabei ertappt, wie er einen Mann auf einer Flughafentoilette auf sexuell unmissverständliche Art angrub. Für Craig bedauerlich, entpuppte sich dieser Typ als Sergeant der Flughafenpolizei, der sich dort herumtrieb, um Schwulen auf frischer Tat zu begegnen. Der Hinweis des in flagranti ertappten Senators, er sei ein prominenter Politiker, fruchtete nichts. Er gab vor Gericht alles zu - das hätte es gewesen sein können, denn niemand hatte die Angelegenheit den Medien zugetragen, alle hielten dicht.
Und dann wurde es doch indiskret, irgendeine Plaudertasche mochte nicht still bleiben. Craig, der nicht der Erste aus der Partei George W. Bushs ist, der bei schwulen Aktivitäten erwischt wurde, musste von seinem Posten als Helfer des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney zurücktreten. Und das ist wieder typisch, denn gegen schnell angebahnten Sex spricht ja zunächst gar nichts, es gibt ja kein Muss, ihn zu betreiben. Heuchler wie Craig aber müssen diesem Sex frönen, denn Trieb ist Trieb - aber eine modern bürgerliche Chance, ihrer Lust Nahrung zu geben, wollen sie ja nicht nutzen. Ihre Heterofamilie möchten sie als Fassade aufrechterhalten.
Die Partei des Präsidenten steht nun in den USA mehr denn je als Pack von Pharisäern da: Gut so! Denn sie sind ja auch Doppelmoralisten im schlechtesten Sinne. Gut ist, dass über einen Craig seitens der Liberalen kein homophobes "Das tut man doch nicht!" ausgesprochen wird, sondern man in die feinste Schadenfreude verfällt. Craig und all die anderen Unbedauernswerten sind Hetzer - und müssten es nicht sein. Sie sind keine Opfer homophober Verhältnisse, zumal sie sie gern selbst zu zementieren suchten. Sie strauchelten nur über sich selbst: Applaus!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!