piwik no script img

KommentarDemokratie ist anstrengend

Der Bürgerentscheid gegen die Parkraumbewirtschaftung ist ein Rückschrift für Ökofans. Und er zeigt, dass man den Bürgerwillen nicht zu leicht nehmen darf.

Für alle Menschen mit einem ökologischen Anliegen ist es ein Desaster. Fast 90 Prozent der Wähler haben am Sonntag bei einem Bürgerentscheid gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in Charlottenburg-Wilmersdorf gestimmt. Deutlicher hätte sich Volkes Stimme kaum manifestieren können.

Das klare Ergebnis des Bürgerentscheids zeigt vor allem eins: Zwar gilt Umweltschutz - neuerdings vor allem unter dem Label Klimaschutz - mittlerweile als konsensfähiges Mainstreamthema. Doch von der Parole "Global denken, lokal handeln" setzt eine breite Mehrheit weiterhin allenfalls die erste Stufe um.

Freiheit ist immer auch die Freiheit, überall zu parken, wo ich will - und zwar ohne zu bezahlen! Diese Maxime lässt sich der gemeine Autofahrer nicht nehmen. Nicht einmal, wenn er stundenlang durch völlig zugeparkte Stadtviertel kurvt, weil sich schon tausende andere die gleiche Freiheit genommen haben.

Angesichts dieser erschreckend tief sitzenden Sturheit könnte man auf die Idee kommen, den gerade mal vor zwei Jahren eingeführten Bürgerentscheid auf Bezirksebene als kompletten Irrtum zu verdammen. Das aber wäre der falsche Weg. Denn diese neue Form der Bürgerbeteiligung zeigt den Wählern, dass sie tatsächlich etwas ändern können - auch und gerade gegen den Willen der verantwortlichen Politiker.

Und auch die unterlegenen Ökofans müssen die Flinte nicht ins Korn werfen. Vielmehr müssen sie erst noch begreifen, dass sie neuerdings nicht nur eine Mehrheit unter den reflektierten Pragmatikern im Parlament gewinnen müssen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße - fast wie früher.

Noch hat sich aber offenbar nicht herumgesprochen, dass bei einem Bürgerentscheid schon eine geringe Beteiligung von zum Glück nur 15 Prozent ausreicht, um etwas zu ändern. Deshalb muss, wer bereits erreichte Standards verteidigen will, Wähler an die Urnen mobilisieren. Diese Überzeugungsarbeit ist anstrengend - aber durchaus Erfolg versprechend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!