piwik no script img

KommentarGuantánamo light

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die wichtisten Gefangenen der USA sollen Zugang zu Rechtsanwälten bekommen. Kleine Schritte zu rechtsstaatlicher Normalität. Sie reichen nicht.

N un sollen die 14 wichtigsten Gefangenen der USA, die im Lager Guantánamo einsitzen, Zugang zu Rechtsanwälten bekommen. Wenn stimmt, was die Washington Post am Freitag berichtete, dann unternehmen die USA kleine Schritte auf dem Weg zu rechtsstaatlicher Normalität. Immerhin.

Wirklich zufrieden sein kann damit aber niemand. Die US-amerikanische Anwaltskammer weigert sich, auf Formblättern zur Suche von Pflichtverteidigern namentlich benannt zu werden - man wolle einem derartig ungenügenden Verfahren nicht noch Legitimität verleihen, sagt der Kammerpräsident. Zu Recht, denn weiterhin bleiben die Guantánamo-Gefangenen von wesentlichen rechtsstaatlichen Elementen ausgeschlossen. Zu groß ist auch die Angst der Behörden, die Gefangenen könnten öffentlich darüber berichten, welche Behandlung ihnen während der jahrelangen Gefangenschaft in geheimen CIA-Gefängnissen zuteil geworden ist - flugs wurde all das zum Thema nationaler Sicherheitsinteressen deklariert, über das nicht gesprochen werden darf. Das heißt auch, dass die Verteidigung weiterhin keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu den von der Anklage vorgebrachten Beweisen haben wird. Statt die Frage der Verwendbarkeit dieser Beweise, wie im normalen Verfahren, vor Gericht feststellen lassen zu können, wird sie zum Schweigen verpflichtet werden. Das ist Junk Justice.

Bild: taz

Bernd Pickert ist Redakteur der taz

Die US-amerikanischen Antiterrorkämpfer haben sich durch ihren törichten und rechtswidrigen Umgang mit den mutmaßlich hochrangigen Al-Qaida-Gefangenen in eine Sackgasse manövriert, aus der sie juristisch sauber gar nicht mehr herauskommen können. Wo Geständnisse unter Folter erpresst wurden, werden sie vor Gericht unbrauchbar. Verwendet man sie dennoch, ist das Gerichtsverfahren unglaubwürdig.

Vielleicht setzt sich wenigstens jetzt die Einsicht durch, dass rechtsstaatliches Vorgehen und effektive Terrorbekämpfung kein Widerspruch sind, sondern zusammengehören. Dann könnte die angekündigte Zulassung von Anwälten tatsächlich als erster Schritt gewertet werden.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!