Kommentar: Ein Lackmustest für Toleranz
Den Moscheenstreit gibt es nicht. Vielmehr nutzen nationalistisch Gesinnte das Thema, um ihre Gesinnung öffentlich zu machen.
Wenn es um die Auseinandersetzung um neue Moscheebauten geht, haben wir uns auf einen Begriff geeinigt, gegen den anscheinend nichts einzuwenden ist. "Moscheestreit". Befürworter und Gegner, so suggeriert der Begriff, streiten sich mit guten und weniger guten Argumenten über das Recht islamischer Vereine und Träger, eigene Gotteshäuser zu bauen. Wenn am Ende die öffentliche Hand entscheidet, beginnt ein neuer "Moscheestreit". Dann hadern entweder Gegner oder islamische Vereine mit der Entscheidung - ohne dass es anscheinend eine Lösung gibt.
All das kann man Demokratie nennen, weil Demokratie immer auch Streit ist. Beim "Moscheestreit" aber geht es um mehr, wie der jüngste Fall in Charlottenburg zeigt. Der Sturmlauf gegen die geplante Moschee in der Keplerstraße ist auch der Versuch, eine neue, außerparlamentarische Plattform für ein konservativ-rechtsextremes Bündnis zu schaffen.
Wie explosiv solch ein Bündnis sein kann, hat das Beispiel Pankow gezeigt. Rechtsextreme in Reih und Glied mit braven Familienvätern von der CDU. Noch schlimmer ist der "Moscheestreit" in Köln. Weil dort, anders als in Pankow, nicht einmal der Träger Anlass zur Kritik gibt, richtet sich der Protest der Initiative Pro Köln gegen eines der sichtbaren Symbole des Islam in Deutschland, das Minarett.
Nun weitet Pro Köln seinen Aktionsradius auf Berlin aus und bekämpft als Pro Deutschland den geplanten Moscheebau in Charlottenburg. Um einen lokalen "Moscheestreit" geht es also längst nicht mehr. Es ist ein Angriff auf die Demokratie.
Ausgesetzt sind ihm, wie in Pankow und Charlottenburg, vor allem die Baustadträte der Bezirksämter. Ihnen rücken die Biedermänner und Brandstifter auf die Pelle, in der Hoffnung, sie würden einknicken. Das ist für die Betroffenen nicht einfach. Vor allem dann nicht, wenn da keine Plattform ist, die ihnen den Rücken stärkt.
Insofern ist ein "Moscheestreit" auch ein Lackmustest für Toleranz. Ist gegen einen Moscheebau nichts einzuwenden, darf es kein Zurück geben. Nicht nur gegen islamistische, auch gegen rechte Hassprediger muss Demokratie verteidigt werden.
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