Kommentar: Sieg des Inhalts über die Form
Der Senat will den "Whit Cube" als temporäre Kunsthalle. Pläne für eine ambitionierte Halle in Wolkenform haben das Nachsehen.
Die temporäre Kunsthalle auf dem Schlossplatz wird keine spektakuläre Wolke, sondern ein schlichter Würfel. Mit der Entscheidung für den pragmatischen Bau des Wiener Architekten Adolf Krischanitz hat gestern im Senat der Inhalt über die Form gesiegt. Der White Cube ist unspektakulär, aber relativ billig. Sein Architekt ist kein Star, dafür hat das Gebäude Hand und Fuß. Und die Finanzierung steht: Eine Stiftung wird die Baukosten übernehmen.
Die Finanzfrage war es vor allem, die dem rivalisierenden Entwurf das Genick brach. Die "Wolke", eine Idee aus dem Haus der Brad-Pitt-Architekten Graft, ist auf den ersten Blick spektakulär und kühn. Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) hätte sie sich gewünscht, um damit auf internationalem Parkett zu glänzen. Doch die Finanzierung des schwebenden, 8,7 Millionen teuren Gebildes war bis zuletzt nicht ausreichend gesichert.
Grund genug für den Senat, lieber die Finger davon zu lassen. Denn die Voraussetzung dafür, dass zwischen Palastabriss und Schlossneubau die Kunst eine Chance bekommt, ist: Dem Land dürfen dadurch keine Kosten entstehen. Erlaubt ist nur, was sich von alleine trägt und rechtzeitig zum Bau des Humboldt-Forums wieder weg ist.
Der Senat stimmte aber nicht nur aus Bodenständigkeit für den Würfel. Die Absage an die Wolke ist auch eine Entscheidung für die Kunst: Die Wolke wäre selbst das Spektakel gewesen - ob im Inneren Skulpturen stehen oder ein Tresen, wäre zweitrangig. Der Krischanitz-Bau aber überlässt die Bühne der Kunst, die in den weißen Räumen einen flexiblen Rahmen findet.
Berlin braucht dringend einen neuen Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst. Die temporäre Kunsthalle ist nun die einmalige Chance, die Bedingungen für die geplante staatliche Kunsthalle wie in einem Labor zu untersuchen: Wo ist die Bedarfslücke zwischen dem, was in staatlichen Museen und privaten Galerien gezeigt wird? Was wird vom Publikum angenommen? Wie viele Ausstellungen pro Jahr lassen sich realisieren? Darauf Antworten zu finden, wird ohnehin kompliziert genug. Eine kapriziöse Hülle hätte die Sache unnötig verkompliziert.
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