Kommentar: Vom Ku'damm lernen
Der Hilferuf von Kulturschaffenden und Politikern klingt nach Alarmismus. Aber die fehlende Bestandsgarantie für den Hamburger Bahnhof ist tatsächlich beunruhigend.
Gleisdreieck, Hauptbahnhof und Hamburger Bahnhof: Nach dem Verkauf des Immobilienentwicklers Vivico gehört plötzlich die halbe Stadt einer österreichischen Immobilienfirma. Die insgesamt 62 Objekte mit einem Verkehrswert von schätzungsweise 465 Millionen Euro sind allesamt ehemaliges Eigentum der Deutschen Bahn und nun in privater Hand. Schon sehen Kulturschaffende und Politiker die Kunst im und um den Hamburger Bahnhof bedroht.
Das klingt nach Alarmismus, schließlich müssen sich auch börsennotierte Unternehmen an Bebauungspläne und an andere stadtentwicklungspolitische Vorgaben halten. Und die neue Eigentümerin hat versichert, den Hamburger Bahnhof zu halten sowie die Entwicklung der angrenzenden Heidestraße zum Kunststandort nicht zu behindern.
Trotzdem ist es beunruhigend, dass das Land nicht vor dem Eigentümerwechsel eine Bestandsgarantie für den Hamburger Bahnhof ausgehandelt hat: Ein Museum braucht Planungssicherheit statt eines Mietvertrags mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Vor allem wenn es sich mitten in einem äußerst lukrativen Entwicklungsgebiet befindet. Mit dem bald beginnenden Bau des gläsernen Bürohauses "Cube" wird das Lehrter Stadtquartier eine weitere Aufwertung erfahren. Dann kann es mit der Kulturfreundlichkeit der CA Immo schnell vorbei sein.
Dass es unklug ist, sich auf Lippenbekenntnisse privater Investoren zu verlassen, musste Berlin schon im Fall der Kudammbühnen erfahren: Nach dem Verkauf hielt sich der neue Eigentümer bedeckt, jetzt will er ein Shoppingcenter bauen, und die Theater sollen weichen. Solch ein Schicksal hat das Museum für Gegenwartskunst nicht verdient.
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