Kommentar: Grobmotorischer Fehlgriff
Die Gewerkschaft Ver.di stellt ihren Streiktag am 17. Juni unter den Titel "Arbeiteraufstand" - und spielt damit auf die Proteste in der DDR von 1953 an.
Wenn die Geschichte bemüht wird, um politische Forderungen zu untermauern, erregt das häufig die Gemüter. So auch jetzt, wenn die Gewerkschaft Ver.di ihren Streik im öffentlichen Dienst am 17. Juni in Anspielung auf 1953 als "Arbeiteraufstand" betitelt. Natürlich ist es legitim, einen Streik heute mit der Revolte von damals zu vergleichen. Nur gleichsetzen sollte man die beiden Ereignisse nicht. Genau das tut Ver.di aber. Die Gewerkschaft hat damit bewiesen, dass ihr das Fingerspitzengefühl für die DDR-Geschichte abgeht. Mehr noch: Sie hat sich einen grobmotorischen Fehlgriff geleistet.
Sicher, sowohl beim Arbeiteraufstand als auch beim Tarifstreit ging und geht es irgendwie um höhere Anforderungen des Staates und Lohnverluste der Beschäftigten. Hier endet aber auch schon die Parallele. Die schlechte wirtschaftliche Versorgung der DDR-Bevölkerung, der Schlingerkurs der Regierung, die dann auch noch die Normen erhöhte, der Mangel an Mitsprachemöglichkeiten in der Diktatur, die Abwanderung in den Westen - all das haben die Leute von Ver.di entweder nicht gewusst, oder sie ignorierten es schlicht. Was genauso peinlich ist.
Wollte die Gewerkschaft tatsächlich dem Vorbild von 1953 entsprechen, hätte sie einiges vor: Sie müsste Hunderttausende mobilisieren. Ein ehrgeiziges Ziel, sah man doch bis jetzt wenig vom Streik im öffentlichen Dienst. Und überhaupt: Wo will Ver.di so kurzfristig eine sowjetische Besatzungsmacht herbekommen?
Im Ernst: Der 17. Juni 1953 war nicht nur der Tag der Arbeiterproteste. Er war auch ein Volksaufstand für Freiheit und Demokratie. Damit hat der Tarifstreit im öffentlichen Dienst wahrlich nichts zu tun. Zum Glück: Schließlich endete der 17. Juni in der DDR mit Toten.
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