Kommentar: Ruhig mal erwachsen werden
Die Berlinerinnen und Berlin haben die Reifeprüfung bestanden und in zahlreichen Bürgerbegehren direkte Demokratie gelebt. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch die Politik Verantwortung übernimmt - und die Entscheidungen endlich akzeptiert.
Demokratie ist immer eine Frage der Reife. Direkte Demokratie sowieso. Und so fragten Berlins PolitikerInnen, als 2005 Bürgerbegehren in Bezirken eingeführt wurden und 2006 die Volksgesetzgebung des Landes reformiert wurde: Wie reif ist das Volk? Die Berliner haben den Reifetest bestanden. Der anhaltende Hickhack um Bürgerentscheide und Volksbegehren zeigt: Wer eine Reifeprüfung braucht, das sind die PolitikerInnen.
Es wäre plump, die böse Politikerkaste nur als ewige Verderber zu bezeichnen. Denn mit der Senkung der Hürden für Volksabstimmungen haben sie ihre Totaldominanz über einen kleinen Teil des höchsten parlamentarischen Rechts aufgegeben: das Haushaltsrecht.
Und um keine Missverständnisse zu wecken: Es kann ein berechtigtes Anliegen sein, die Höhe des Geldes, über das BürgerInnen verfügen dürfen, zu deckeln. Aber genau diese Deckelung hat die Kita-Initiative sorgfältig abgewogen. Sie hat ihre Forderungen reduziert und aktuelle Gerichtsurteile berücksichtigt. Noch vor Kurzem hieß es aus der Innenverwaltung, das könne so durchgehen. Weil es nun doch um viel Geld geht, sollen jetzt mal wieder die Gerichte prüfen, wie viel Freiheit die PolitikerInnen eigentlich meinten, als sie Freiheit versprachen.
Ob bei Tempelhof, Mediaspree oder dem Wasser-Volksbegehren: Irgendeinen Grund, aus einem zuspruchsreichen Bürgerbegehren ein Frustrationsprojekt werden zu lassen, haben die Politiker fast immer gefunden. Entweder halten sie Bürgerbegehren für politischen Quatsch, für rechtlich falsch oder für unbezahlbar. Und das in erstaunlicher Häufung.
Die PolitikerInnen zieren sich wie bockige Teenager. Verantwortung aber hieße, den erwachsenen BürgerInnen einen Gestaltungsspielraum zuzugestehen. Das wäre ein Zeichen echter Reife.
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