Kommentar: Ein ungutes Gefühl bleibt
Mag die Diebstahlsicherung Vorteile bringen - bei der RFID-Technologie hat der Nutzer keine Kontrolle mehr darüber, wann und von wem der Chip ausgelesen wird.
D er gläserne Mensch ist schon lange kein Science-Fiction-Grauen mehr. Spätestens seit die RFID-Technik immer häufiger auch in Kaufhäusern Einzug hält, ist der allseits durchschaubare Konsument greifbar nah. Allzu leicht lässt sich mit den Minichips auch über große Entfernungen exakt ermitteln, wer was zu welchem Zeitpunkt wie erworben hat. Nun setzen auch die Berliner Bezirksbibliotheken auf den Schnüffelchip. Per Funksignal soll die RFID-Technik nicht nur die Ausleihe enorm beschleunigen. Sie soll auch dem Bücherdiebstahl ein Ende setzen. Aber: Sosehr eine generelle Skepsis gegenüber der RFID-Technologie angebracht ist - im Fall der Bibliotheken wird der Datenschutz nicht angetastet.
Denn bei den Bücherchips handelt es sich um sogenannte aktive RFID-Tags. Sie sind im Gegensatz zu den in Kaufhäusern üblichen passiven Funk-Etiketten beschreibbar. Wenn also ein Buch ausgeliehen wird, ändert das Lesegerät den Status des Buches von "gesichert" auf "ungesichert". Erst dann kann der Benutzer die Diebstahlkontrolle passieren. Anders als beim RFID-Einsatz im Einzelhandel sind die Funk-Etiketten auf den Büchern für diesen Zweck nur in einem Umkreis von maximal einem Meter lesbar. Was den Datenschutz aber vor allem sichert: Die Chips speichern nur Titel, Autor und Standort des Buches. Relevante Daten zur Person sammelt der Chip nicht.
So weit die Theorie. Und doch: Der Missbrauchsfaktor bleibt hoch. Denn wer gewährt einem, dass ein technisch etwas versierterer Bibliotheksmitarbeiter die Chips nicht doch umprogrammiert und sich so die persönlichen Daten ergaunert? Wie scharf Unternehmen auf Kundenprofile sind, hat nicht zuletzt der Datenskandal bei der Telekom gezeigt.
Mag die Diebstahlsicherung und das schnelle Ausleihen von Büchern für die Leseratte Vorteile bringen - bei der RFID-Technologie hat der Nutzer keine Kontrolle mehr darüber, wann und von wem der Chip ausgelesen wird. Das Grundproblem bleibt also: der Verlust der informationellen Selbstbestimmung.
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