piwik no script img

KommentarIn der Mitte der Gesellschaft

Antje Lang-Lendorff
Kommentar von Antje Lang-Lendorff

Ein Weihnachtsmarkt für Leute ohne Geld gehört an einen Platz im Zentrum.

Eine schöne Idee: Die Veranstalter der Sozialmärkte wollen im nächsten Jahr einen großen Weihnachtsmarkt für Arme organisieren. Nun suchen sie nach einem zentralen Ort dafür. Es ist ein bisschen wie in der Weihnachtsgeschichte: Die Mittellosen ziehen von Tür zu Tür, um einen Platz zu finden, an dem sie bleiben können. Aber die meisten Plätze sind schon besetzt - von denen, die dafür zahlen können. Klingt nach Pathos und Rührstück. Trotzdem ist was dran.

Soll die "soziale Stadt" nicht bloß Floskel sein, muss sich die Politik daran messen lassen, ob sie für den Sozialmarkt einen Ort im Herzen der Stadt findet. Schließlich stehen die Sozialmarkt-Verkäufer und ihre Kunden für eine große Gruppe in der Bevölkerung. Jeder vierte Berliner verdient weniger als 900 Euro netto. Eine Entscheidung für den Pariser Platz zum Beispiel wäre auch ein Signal: Diese Leute und ihre Bedürfnisse haben ihren Ort in der Mitte der Gesellschaft. Sie sollen sichtbar sein - und nicht an den Rand gedrängt werden.

Noch etwas: Ein Markt für Arme bringt zwar keine Einnahmen, stärkt aber den sozialen Frieden in der Stadt - was mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Die zuständigen Stadträte für die Sondernutzung des Straßenlandes sollten die Anfragen deshalb ernst nehmen. Im Zweifelsfall muss auch der Senat ein politisches Machtwort sprechen.

In der Erzählung aus Bethlehem wird am Ende der Heiland geboren. Die Berliner Weihnachtsgeschichte ist keine Erlösergeschichte. Aber wenn Arbeitslose eine sinnvolle Beschäftigung finden und Arme beim Einkaufen mal nicht auf das Geld schauen müssen, ist das schon eine gute Sache. Und hat mit Weihnachten wohl mehr zu tun als all die Glühweinstände und Bratwurstbuden zusammen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • B
    b.kraft

    Diese Weihnachtsmärkte werden im Endeffekt nur ein weiteres Puzzle in der Armutsverwaltung sein, neben den Tafeln, Kleiderkammern, Möbelllagern, Sozialkaufhäusern, usw.

    Ich warte nur darauf, wann dies alles dazu benutzt wird, die Hartz IV Regelsätze zu senken, weil sich die Betroffenen ja ganz gut über Wasser halten können.

  • B
    b.kraft

    Diese Weihnachtsmärkte werden im Endeffekt nur ein weiteres Puzzle in der Armutsverwaltung sein, neben den Tafeln, Kleiderkammern, Möbelllagern, Sozialkaufhäusern, usw.

    Ich warte nur darauf, wann dies alles dazu benutzt wird, die Hartz IV Regelsätze zu senken, weil sich die Betroffenen ja ganz gut über Wasser halten können.

  • PK
    Peter Kessen

    Zitat Taz: "Weihnachtsmärkte für arme Menschen bringen zwar kein Geld, stärken aber den sozialen Frieden in der Stadt, was mit Geld nicht aufzuwiegen ist". Da stellen sich doch ein paar Fragen: Ist nicht eigentlich der "soziale Friede", den wir miterleben, die eigentliche politische Katastrophe? Welches Gefühl haben Menschen, die in speziellen Armutsmärkten das fadenscheinige und abgelegte Zeug der Besserverdienenden erwerben dürfen? Ist das der grün-alternative Forschritt? Oder handelt es sich bei diesem Beitrag nicht eher um ein Bewerbunsschreiben der Autorin für einen besserbezahlten Posten? Denn diese gutmenschelnde, aber menschenfeindliche Propaganda für Almosen könnte genauso gut in der Berliner Morgenpost stehen!