Kommentar: In der Mitte der Gesellschaft

Ein Weihnachtsmarkt für Leute ohne Geld gehört an einen Platz im Zentrum.

Eine schöne Idee: Die Veranstalter der Sozialmärkte wollen im nächsten Jahr einen großen Weihnachtsmarkt für Arme organisieren. Nun suchen sie nach einem zentralen Ort dafür. Es ist ein bisschen wie in der Weihnachtsgeschichte: Die Mittellosen ziehen von Tür zu Tür, um einen Platz zu finden, an dem sie bleiben können. Aber die meisten Plätze sind schon besetzt - von denen, die dafür zahlen können. Klingt nach Pathos und Rührstück. Trotzdem ist was dran.

Soll die "soziale Stadt" nicht bloß Floskel sein, muss sich die Politik daran messen lassen, ob sie für den Sozialmarkt einen Ort im Herzen der Stadt findet. Schließlich stehen die Sozialmarkt-Verkäufer und ihre Kunden für eine große Gruppe in der Bevölkerung. Jeder vierte Berliner verdient weniger als 900 Euro netto. Eine Entscheidung für den Pariser Platz zum Beispiel wäre auch ein Signal: Diese Leute und ihre Bedürfnisse haben ihren Ort in der Mitte der Gesellschaft. Sie sollen sichtbar sein - und nicht an den Rand gedrängt werden.

Noch etwas: Ein Markt für Arme bringt zwar keine Einnahmen, stärkt aber den sozialen Frieden in der Stadt - was mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Die zuständigen Stadträte für die Sondernutzung des Straßenlandes sollten die Anfragen deshalb ernst nehmen. Im Zweifelsfall muss auch der Senat ein politisches Machtwort sprechen.

In der Erzählung aus Bethlehem wird am Ende der Heiland geboren. Die Berliner Weihnachtsgeschichte ist keine Erlösergeschichte. Aber wenn Arbeitslose eine sinnvolle Beschäftigung finden und Arme beim Einkaufen mal nicht auf das Geld schauen müssen, ist das schon eine gute Sache. Und hat mit Weihnachten wohl mehr zu tun als all die Glühweinstände und Bratwurstbuden zusammen.

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Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.

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