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KommentarBuschkowsky liegt neben der Spur

Kommentar von Stefan Alberti

Wer will, soll sein Kind früh in die Kita schicken dürfen - wer das aber nicht will, soll das auch nicht tun müssen. Sonst wäre das eine krasse Missachtung von Elternrechten.

Kita-Pflicht im letzten Jahr vor der Schule, für knapp Fünfjährige? Eine prima Idee, um den Übergang fließender zu gestalten. Kita-Pflicht aber schon für Einjährige, wie sie Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) fordert? Eine krasse Missachtung von Elternrechten. Wer will, soll sein Kind früh in die Kita schicken dürfen - wer das aber nicht will, soll das auch nicht tun müssen.

Unbestreitbar würde Buschkowskys Vorstoß jenen Kindern helfen, bei denen jede Stunde daheim eine verlorene ist, jede in einer Bildungseinrichtung hingegen eine gewonnene. Unbestreitbar gibt es Eltern, die sich schlicht nicht um ihre Kinder kümmern. Für diese Kinder ist dann bildungsmäßig der Zug oft schon abgefahren, wenn sie mit fünfeinhalb bis sechseinhalb Jahren in die Schule kommen. Dass darf der Staat tatsächlich nicht hinnehmen.

Daraus aber eine Maßnahme abzuleiten, die alle Eltern trifft und die meisten zu Unrecht, ist falsch. So wie es Elternrechte gibt, gibt es auch Elternpflichten. Die muss der Staat besser kontrollieren, auch wenn das in der Praxis oft schwierig ist, wie sich gerade in den aufsehenerregenden Fällen von Kindesvernachlässigung gezeigt hat.

Fraglich ist ohnehin, warum Buschkowsky und Wowereit überhaupt an eine Pflicht denken, statt weiter auf die stetig ausgedehnte Kita-Gebührenfreiheit zu setzen. Das verwundert insofern, weil der SPD-Bildungssenator bereits von wachsenden Kita-Zulauf seit Beginn dieser Reform gesprochen hat. Die SPD scheint hier ihrem eigenen Konzept nicht zu vertrauen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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4 Kommentare

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  • S
    Stefan

    "Daraus aber eine Maßnahme abzuleiten, die alle Eltern trifft und die meisten zu Unrecht, ist falsch"

     

    vollkommen richtig - bitte auch auf alle anderen Bereiche anwenden. Z.B. die Chipkarte nur für Hartz IV Kinder...

     

    vg, stefan

  • WS
    Wendula Strube

    Herr Buschkowsky ist so ahnungslos, jedenfalls von Kindern und Kindergärten bzw. Krippen hat er NUll Ahnung, sonst wüsste er schließlich, dass Einjährige nicht in den Kindergarten, sondern in die Krippe kommen. Und so jemand erdreistet sich darüber zu befinden, wo ein Stillkind hin soll. Immerhin wurde mein erster bis 27 Monate gestillt, hätte ich das nicht getan, wäre er jetzt womöglich ein Fall für Ritalin. Herr Buschkowsky, bitte sortieren Sie ihre Akten, von mir aus stundenlang von rechts nach links, aber lassen Sie ihre Hände von Müttern mit Babys und Vätern, die ihre Babys wickeln!

  • K
    Kariane

    Die sogenannte Gebührenfreiheit ist relativ und verteilt Senatsgelder nach dem Gießkannenprinzip über Arm und vor allem - Reich. Denn auch nach dem Wegfall des Betreuungsgeldes bleibt für jedes Kind 23 bzw. 33 Euro Essensanteil zu zahlen, für Arme nicht wenig. Die Gebührenfreiheit bedeutet hingegen auf der anderen Seite, dass Gutverdiener, die bis vor ein, zwei Jahren noch bis zu 420 Euro monatlich zahlen mußten, nun ebensowenig zahlen müssen wie HarztIV-Empfänger. Das ist nicht sinnvoll, denn die schicken die Kinder sowieso freiwillig und die 400 tun ihnen nicht weh. Die 33 Euro fehlen den Armen, Kinderreichen und Bildungsfernen hingegen schon, und darum behalten sie ihre Kinder zuhause.

    Typisch Berlin, typisch Deutschland: vollmundig Geschenke für Kinder und Arme zu verkünden, die in Wirklichkeit nur Geschenke an die reichen Erwachsenen sind.

  • H
    heinzmahn

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    Ihr Kommentar überzeugt mich nicht. Mit den selben Argumenten - das Recht der Eltern werde verletzt - könnte man auch gegen die Schulpflicht in Deutschlande argumentieren. Diese ist aber ein großer zivilisatorischer Fortschritt: Nur Büger, die angemessen gebildet sind, können ihre demokratischen Rechte in Wirtschaft und Gesellschaft wahrnehmen.

     

    Wenn nun alle Bildungsstudien und die Praxis zeigen, dass Bildung viel früher als in der ersten Klasse anfangen muss, damit viele Kinder nicht von vornherein auf dem Abstellgleis landen, dann muss der Staat handeln - und eine Kitapflicht einführen. Da hat die Berliner SPD vollkommen recht.

     

     

    Mit freundlichem Gruß

     

     

    Heinz Mahn, Strausberg