Kommentar: Staffage im Symbolkrieg
Ob gefährlich oder nicht war den US-Miliärs einerlei - seine Funktion im Anti-Terror-Krieg erfüllt Murat Kurnaz für sie in jedem Fall
Die Angriffe des Terrornetzwerks al-Quaida waren real. Und ebenso real dürfte das Interesse gewesen sein, ihnen Einhalt zu gebieten. Warum also hielten die USA wider besseren Wissens jahrelang daran fest, dass Murat Kurnaz ein Terrorist sei- anstatt ihn laufen zu lassen und nach den echten Terroristen zu suchen?
Die Antwort liegt in der Funktion, die Kurnaz und seine Mithäftlinge im Propagandakrieg hatten. Die wie seltene Tiere in ihren Metallkäfigen zur Schau gestellten, signalrot gekleideten Häftlinge sollten mit dafür sorgen, dass sich die Terrorpanik nach dem 11. September verstetigt. Als symbolischer Kontrapunkt zu dem einstürzenden World Trade Center sollte sich ihr Bild im kollektiven Bewusstsein festsetzen. Zwar transportierten die "irregulären Kämpfer" aus Guantanamo die beschworene Bedrohung des Westens durch den Islamismus. Doch im Gegensatz zu den Bildern aus Manhattan signalisierten sie Stärke. Und je unerbittlicher und außergewöhnlicher man die Verfolgung und Verhöre in Guantanamo inszenierte, desto besse funktionierte dies: Die Öffentlichkeit bekam mehr Angst vor den Häftlingen und allen, die es noch zu fangen galt. Und war umso eher bereit, den Anti-Terro-Krieg mitzutrgen. Für diese Offensive der Bilder diente Murat Kurnaz als Staffage - ob schuldig oder nicht, war dabei einerlei.
Kommentar: Staffage im Symbolkrieg
Ob gefährlich oder nicht war den US-Miliärs einerlei - seine Funktion im Anti-Terror-Krieg erfüllt Murat Kurnaz für sie in jedem Fall
Die Angriffe des Terrornetzwerks al-Quaida waren real. Und ebenso real dürfte das Interesse gewesen sein, ihnen Einhalt zu gebieten. Warum also hielten die USA wider besseren Wissens jahrelang daran fest, dass Murat Kurnaz ein Terrorist sei- anstatt ihn laufen zu lassen und nach den echten Terroristen zu suchen?
Die Antwort liegt in der Funktion, die Kurnaz und seine Mithäftlinge im Propagandakrieg hatten. Die wie seltene Tiere in ihren Metallkäfigen zur Schau gestellten, signalrot gekleideten Häftlinge sollten mit dafür sorgen, dass sich die Terrorpanik nach dem 11. September verstetigt. Als symbolischer Kontrapunkt zu dem einstürzenden World Trade Center sollte sich ihr Bild im kollektiven Bewusstsein festsetzen. Zwar transportierten die "irregulären Kämpfer" aus Guantanamo die beschworene Bedrohung des Westens durch den Islamismus. Doch im Gegensatz zu den Bildern aus Manhattan signalisierten sie Stärke. Und je unerbittlicher und außergewöhnlicher man die Verfolgung und Verhöre in Guantanamo inszenierte, desto besse funktionierte dies: Die Öffentlichkeit bekam mehr Angst vor den Häftlingen und allen, die es noch zu fangen galt. Und war umso eher bereit, den Anti-Terro-Krieg mitzutrgen. Für diese Offensive der Bilder diente Murat Kurnaz als Staffage - ob schuldig oder nicht, war dabei einerlei.
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Kommentar von
Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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